QUERSCHLÄGER: Emittierte Fußballstutzen nach der Ära Neururer
■ Der ziemlich neue Trainer Peter Neururer hat gekündigt, wann geht Hertha BSC endlich an die Börse?
„Wenn Du einen Würdigen siehst“, spricht Fußballfan Konfuzius, „dann trachte ihm nachzueifern.“ Derzeit gibt es kaum etwas Unwürdigeres im deutschen Profikicksport als Hertha BSC Berlin, das „Schweinfurt des Nordens“.
Soeben hat der Verein den dritten Trainer der Saison verschlissen. Peter Neururer kündigte an, Hertha zum Saisonende zu verlassen, da es das Management nicht geschafft habe, ein akzeptables Konzept für die mit ziemlicher Sicherheit kommende Zweitligasaison vorzulegen. Obwohl er sein Ultimatum an die Vereinsführung bis zum Sonntag verlängert hatte, unterblieben die von Neururer geforderten Vertragsverlängerungen und Zusagen von Neuverpflichtungen.
In diesen harten Zeiten stünde es dem Verein, anstatt sich die Eckfahne zum Vorbild zu nehmen und einfach herumzuhängen, gut an, sich ganz konfuzianisch umzuschauen, ob nicht vielleicht doch ein würdigeres Leitbild aufzutreiben ist.
Warum also nicht mal die blau- weiße Vereinsbrille in Richtung Bundesligaspitze schweifen lassen? Dort geht der Hamburger SV mit einer neuen Gesellschaftsform schwanger: Der ebenso wie die Berliner von Geldnöten gebeutelte Club schmückt sich mit einer Aktiengesellschaft.
Warum nicht auch der mit allen Spreewassern gewaschene Träger der roten Bundesligalaterne, dessen Akti(on)en sich seit Saisonbeginn ohnehin zwischen Hausse und Baisse bewegen: Vorne hauen die torgeizigen Stürmer den Ball ständig haussehoch über das gegnerische Gebälk, während die harmlosen Abwehrspieler die feindlichen Offensivkräfte nicht richtig baissen.
Geld muß her, dann stellt sich auch der Erfolg wieder ein — gerade in Berlin ein Gebot der Stunde. Was HSV-Präsident Jürgen Hunke recht ist, sollte Hertha-Chef Heinz Roloff nur billig sein. Denn wie prophezeit Fußballfan Siggi Freud: „Aus jeder Krise geht man gestärkt hervor.“
Es bleibt nur die Gründung einer Aktiengesellschaft. Das streut Vermögen unters Volk, ist sozial und bürgernah und sorgt bei Heimspielen für ein volles Olympiastadion, da jedes Match als ordentliche Aktionärsversammlung angekündigt (und steuerlich abgesetzt) werden kann. Gleichzeitig dürfen die Besucher live miterleben, wie ihre Aktien Punkt um Punkt in den Keller fallen. Da kommt Stimmung auf.
Und wenn es den Leuten dann doch einmal zu bunt wird, kann Hertha problemlos einen Neustart Richtung Börse wagen: Warum nicht als kleinste Brauerei Deutschlands? — die dazu nötigen elf Flaschen sind bereits vorhanden.
Fußballfan Kalle Marx hatte schon recht, als er sagte, daß sich ein geschichtliches Ereignis immer zweimal zuträgt: einmal als Tragödie, dann als Farce. In diesem Punkt ist Hertha der Konkurrenz stets um einen Schritt voraus. Jürgen Schulz
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