■ QUERBILD: Gridlock'd
Gridlock'd ist eine Menge. Ein Zeitdokument - die erste und letzte Rolle der Gangsta-Rap-Ikone Tupac, der 25jährig vier Wochen nach den Dreharbeiten erschossen wurde – und das Regiedebut des vielbeschäftigten Schauspielers Vondie Curtis Hall (Falling Down, Crooklyn). Und er ist ein filmisches Crossover, eine Bewegung zwischen Spike Lee und Martin Scorsese auf eine seltsam lakonische Weise, die sich gleichwohl ihre Hoffnung auf ein glamouröses happy end erhält.
Am Krankenbett von Cookie (Thandie Newton), die an einer Überdosis zu sterben droht, versprechen sich die Junkies Stretch (Tim Roth) und Spoon (Tupac Shakur), mit dem Heroin Schluß zu machen und sich in die Obhut eines staatlichen Entziehungsprogramms zu begeben. Doch ohne Sozialhilfenummer - keine Rettung. Erstmalig nehmen sie Kontakt mit dem Amtsschimmel auf, dessen ablehnende Haltung zu alledem auch noch nicht ganz unverständlich ist. Nachdem Stretch einem Sozialarbeiter einen hysterischen Wutanfall geliefert hat, entgegnet dieser: „Regeln sind Regeln! Weil Sie sich nach Jahren dazu entschlossen haben, clean zu werden, glauben Sie, daß an dem Tag, an dem Sie hier reinmarschieren, die ganze Welt stillsteht?!“
Die minimale Chance, die Stretch und Spoon noch bleibt, ist immer wieder das nächste Amt. Doch selbst das wird durch ihr eigenes Verhalten erschwert: Nachdem sie bei ihrem ermordeten Dealer Chuck (George Poulos) Heroin gefunden haben, ist ihnen der örtliche Drogenpapst D-Reper (Vondie Curtis Hall) auf den Fersen. Und weil sie außerdem am Tatort unbedingt zwei Streifenpolizisten in die Arme laufen müssen, werden sie nun auch noch von der Polizei gejagt.
Ohne in Larmoyanz abzugleiten, zeigt Gridlock'd die Probleme eines zerfallenden Gesundheitssystems, wobei eindeutige Schuldzuschreibungen klugerweise vermieden werden. Stretch und Spoon sind ebenso Opfer wie selbstverantwortlich, und gerade der außerordentlich lässige, jazzige und makabre Humor von Gridlock'd hat mit dieser Mehrdeutigkeit zu tun. Wenn Stretch nach einem erneuten bürokratischen Rückschlag lauthals gestikulierend durch die Straßen läuft und mit „Mein Steuergeld bezahlt euer Gehalt!“den spießbürgerlichen Querulanten spielt, erreicht die Selbstironie in Gridlock'd ihren Höhepunkt. Jan Distelmeyer
Abaton, City, Neues Cinema, Zeise
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