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■ QUERBILDStrange Days

Kathryn Bigelows Science-Fiction beginnt mit uns, mit einer der spektakulärsten point-of-view-Sequenzen der Hollywood-Geschichte: Wir sehen durch die Augen eines Verbrechers und sind Teilnehmer eines hektischen Überfalls, der bald von der Polizei gestört wird. Panisch versucht die Kamera, sich durch abrupte Reißschwenks einen Überblick zu verschaffen – unsere einzige Chance ist der Sprung von einem Hausdach zum nächsten. Wir nehmen aus Angst vor den nahenden Verfolgern zuwenig Anlauf, springen und stürzen ab.

Strange Days spielt in L.A. zwischen dem 30.12.1999 und dem 1. Tag des neuen Jahrtausends. Hier lebt Lenny (Ralph Fiennes) als heruntergekommener Ex-Cop und SQUID-Clip-Dealer, der zwei große Probleme hat. Seine Freundin Faith (Juliette Lewis) hat ihn verlassen und ein perverser Killer schickt ihm die SQUID-Aufzeichnungen seiner Erfahrungen beim Vergewaltigen, Foltern und Töten. Obendrein überschattet ein nationaler Skandal Lennys Suche nach Faith und dem Psychopathen, bei der ihn die farbige Leibwächterin Mace (Angela Basset) unterstützt: Der Malcom X der Neunziger, ein militanter Rap-Star, wurde von Polizisten ermordet, und der einzige Beweis befindet sich eben als SQUID-Clip einer Zeugin in Lennys Besitz. Alle drei Spannungsmomente sind dabei auf den Übergang des aktuellen Milleniums zum nächsten gefluchtet. Sylvester, für alle nur „der letzte Tag der Welt“, müssen sämtliche Probleme gelöst sein.

Von solcherart Übergängen erzählt Strange Days nicht nur, er besteht selbst aus ihnen. Nichts anderes bedeutet die Gedächtnis-Droge SQUID: sie erlaubt den Sprung vergangener Erfahrungen in das Jetzt und stellt uns im Kino die Frage, wo Realität beginnt. Vor allem aber schafft sie den Übergang von einem Subjekt zum anderen. Mit SQUID ist die Grenze von Intimität und Individualität überwunden, wobei sich dessen besondere Dimension erst offenbart, wenn wir erfahren, was die meisten Junkies, fast alles Männer, wünschen – den kurzfristigen Tausch der Geschlechter, „the possibility of being a girl“.

Jan Distelmeyer City, Gloria, Grindel, Hansa-Kinocenter, Studio

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