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Putsch in Venezuela gescheitert

■ Fünf Tote bei Erstürmung des Präsidentenpalastes/ Noch Kämpfe in Valencia und Teilen von Caracas/ 20 Offiziere verhaftet/ Ausnahmezustand verhängt/ Schon seit Monaten Putschgerüchte

Caracas (afp/ap) — In Venezuela ist in der Nacht zum Dienstag ein Putschversuch rebellierender Soldaten fehlgeschlagen. Loyale Truppen brachten die Lage in der Hauptstadt Caracas nach Angaben von Präsident Carlos Andres Perez bis zum Nachmittag wieder unter Kontrolle. Dennoch wurde um 13.40 (MEZ) der Ausnahmezustand verhängt.

Internationale Regierungen sowie die wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen in Venezuela stellten sich hinter den Präsidenten. Die politischen Hintergründe des gescheiterten Staatsstreichs blieben bisher unklar.

Präsident Perez erklärte im Fernsehen, über zwanzig Offiziere seien festgenommen worden. In Berichten des örtlichen Rundfunks hieß es, die Revolutionäre Bewegung Bolivars sei für den Putschversuch verantwortlich. Als Anführer der Rebellen wurde Oberst Francisco Arias genannt. Verteidigungsminister Fernando Ochoa Antich berichtete, insgesamt sechs Bataillone hätten sich an dem Umsturzversuch beteiligt: ein Panzerbataillon, vier Artilleriebataillone und eine Einheit von Fallschirmjägern.

Am Morgen hatte Präsident Perez lediglich von einem Fallschirmjägerbataillon des Regiments Jose Leonardo Chirinos gesprochen, das in der 200 Kilometer westlich gelegenen Stadt Maracaibo stationiert ist. Ziel des Aufstandes sei es gewesen, ihn zu ermorden und eine „blutige Diktatur zu errichten“.

In Valencia, 80 Kilometer westlich von Caracas, hielten sich Perez zufolge am Dienstag nachmittag noch Aufständische.

Die Rebellen hatten kurz nach Mitternacht (Ortszeit) gleichzeitig den Präsidentenpalast, die Residenz des Staatschefs und das Hauptquartier der Luftwaffe angegriffen. Dabei wurden nach Angaben eines Augenzeugen fünf Soldaten getötet. Der Flughafen „La Carlota“ in Caracas, wo das Generalkommando der Luftwaffe seinen Sitz hat, war mehrere Stunden lang heftig umkämpft. Die loyalen Truppen ließen am Morgen Panzer auffahren. Am Nachmittag überflogen Kampfflugzeuge die Hauptstadt. Schließlich gaben die Rebellen auf, nachdem sie den Chef der Luftwaffe vorübergehend als Geisel genommen hatten.

In Valencia hielten die Aufständischen den Flughafen, den Sitz der Nationalgarde und einen Radiosender besetzt.

Auch in Bundesstaaten Zulia und Aragua gab es Kämpfe. Der Hörfunk berichtete von anhaltenden Zusammenstößen in Maracaibo im Bundesstaat Zulia.

Die Vereinigten Staaten, Spanien, Frankreich und alle Staaten Lateinamerikas verurteilten den Putschversuch und bekundeten ihre Unterstützung für Perez. Die Oberbefehlshaber des venezuelanischen Militärs sowie Oppositionsparteien, Gewerkschaften und Unternehmer stellten sich ebenfalls hinter den Sozialdemokraten Perez, der seit 1988 in dem lateinamerikanischen Land an der Macht ist.

Unter den Festgenommenen befindet sich nach Angaben von Verteidigungsminister Ochoa kein Mitglied des Oberkommandos der Streitkräfte. Alle Inhaftierten seien jedoch hochrangige Offiziere.

Perez war erst in der Nacht zum Dienstag vom Weltwirtschaftsforum in Davos nach Venezuela zurückgekehrt.

In Venezuela, einem der reichsten Länder Lateinamerikas, kursierten schon seit einigen Monaten Putschgerüchte. Grund dafür war die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Sparpolitik von Perez und die Verhandlungen mit Kolumbien über eine Beilegung des Grenzstreits.

Die Gespräche zwischen Perez und seinem kolumbianischen Amtskollegen Cesar Gaviria über den Grenzverlauf im Golf von Venezuela waren von einigen Militärs kritisiert worden, die den ganzen Golf für Venezuela beanspruchen.

Im Golf von Venezuela befinden sich reiche Erdölvorkommen.

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