piwik no script img

Puppenstube mit Spieluhr

■ Sebadoh und Smog aus dem eigenen Wohnzimmer

So ist das mit den Kategorisierungen. Inzwischen vermeidet auch die Lo-Fi-Szene ihre eigene Bezeichnung. Lo-Fi soll heißen, daß sich das Studio eines Künstlers eventuell zwischen Matratze und Plattenschrank im Schlafzimmer befindet. Hat man vorschnell aus dieser Aufnahmetechnik ein Genre gemacht? Für Sebadoh und Smog, die am Samstag das Logo mit Publikum fluten werden, ist das glücklicherweise nicht von Belang. Die Zeit, in der das Portemonnaie ihren musikalischen Output massiv diktierte, ist ohnehin vorbei.

Anfangs verharmlosend als 4-Spur-Ableger von Dinosaur Jr. gehandelt, bei denen Sänger Lou Barlow einmal den Baß spielte, sind Sebadoh inzwischen zu Königen der Szenekneipen, der Wohn- und WG-Zimmer geworden. Ihre Platten behalten nicht nur in definierbaren Stimmungen ihre Gültigkeit, denn das Wetter spielt keine Rolle mehr. Anti-Helden sind auch Helden, besonders wenn sie so geschmeidig singen.

Barlow, anfang der 80er folterte er beim Berserker-Hardcore-Trio Deep Wound die Instrumente, ist ein inzwischen erfahrener und nicht zu unterschätzender Virtuose, ein dennoch bescheiden wirkender Indie-Rock-Professor. Wenn ein Selbstbewußtsein des Beck'schen Losers doch möglich ist, dann gibt es Hoffnung. Was man gern hätte, um vielleicht die Identifikation leichter zu machen, stimmt nicht – Sebadoh sind keine wirklichen Verlierer, einfach weil man ihnen zuhört, zuhören will.

An der Seite von Jason Loewenstein, Bob Fay und Lou Barlow stehen die ebenfalls auf City Slang veröffentlichenden Smog. Auch ihnen wird penetrant die Home-Recording-Ästhetik unterstellt. Die komplette Reichweite ihrer Verschrobenheit geht jedoch weiter. Ihre Lo-Fi-Puppenstube, samt Klavier und Spieluhr aus dem bürgerlichen Wohnzimmer, ist eine Avantgarde-Galerie, die man schlendernd begeht.

Auch wenn es an diesem Wochenende vermutlich in Strömen regnen wird, es scheint gerettet - gerettet von Menschen, deren Wohnungen so klein sind wie die unseren. Sie machen mit wenig Aufwand nur mehr daraus.

Jan-Cristoph Wolter Samstag, 24. Mai, Logo, 20 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen