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Prunskiene heimlich bei Kwinzinski

■ Baltischer Rat von 1934 wiederbelebt / Litauen, Estland und Lettland wollen Schritte zur Unabhängigkeit aufeinander abstimmen / Mit Moskau aber getrennte Verhandlungen beabsichtigt

Bonn (dpa/afp) - Juli Kwinzinski, künftiger stellvertretender UdSSR-Außenminister und derzeitiger Bonner Sowjetbotschafter, hat sich am Freitag in Bonn heimlich zu einem Gespräch mit der litauischen Ministerpräsidentin Kazimiera Prunskiene getroffen. Das berichtet 'Der Spiegel‘ in seiner neuesten Ausgabe. Die Initiative zu dem Treffen sei von der Ministerpräsidentin ausgegangen. Sowjetische Diplomaten im Ausland sind in der Regel nur für Kontakte mit Regierungsvertretern anderer Staaten zuständig.

Unterdessen haben die drei baltischen Republiken Litauen, Lettand und Estland am Samstag in der estnischen Hauptstadt Tallinn die Wiederbelebung des Baltischen Rates beschlossen. Der Rat war 1934 in Genf gegründet und nach Einverleibung der drei Staaten in die UdSSR 1940 aufgelöst worden. Die drei Parlamentspräsidenten forderten US-Präsident George Bush und den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow außerdem in gleichlautenden Briefen auf, die baltische Sache auf ihrem Gipfel Ende Mai in den USA mit Verständnis zu betrachten. „Wir müssen einander die Hand reichen“, sagte der estländische Präsident Arnold Rüütel, der seine Amtskollegen Vytautas Landsbergis aus Litauen und Anatoli Gorbunow aus Lettland nach Tallinn eingeladen hatte. Die drei Präsidenten unterzeichneten ein Dokument mit dem Titel „Erklärung zur Einheit und Zusammenarbeit der Republiken Litauen, Lettland und Estland“. Darin geht es um eine Koordinierung ihrer Politik gegenüber der Moskauer Zentralregierung. Rüütel sagte, die Präsidenten wollten sich gemeinsam mit Gorbatschow treffen, um den Konflikt zu lösen. Da jede Republik aber ihre eigenen Probleme habe, seien auch getrennte Verhandlungen mit Moskau sinnvoll.

Die Präsidenten vereinbarten eine politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die drei Republiken wollten sich außerdem um die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und um die Teilnahme an der KSZE bewerben, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

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