Prêt-à-porter: Von Büßern und Mönchen
■ Jeder hat sein Kreuz zu tragen: Belgische Designer, auf der Suche nach den wahren Werten, würden im Kloster keinen Anstoß erregen
Die königliche Akademie für Design in Antwerpen muß eine ausgezeichnete Kostümhistorikerin für das Mittelalter haben. Die belgischen Designer halten diese Saison fast ausnahmslos das Kreuz hoch. Jeder auf seine Art. Die schweren Falten in den bodenlangen Röcken von Dries van Notens Nonnen kündeten in aller Bescheidenheit von stiller Pracht. Ann Demeulemeester war es kontemplativer zumute. Die Designerin, deren Ikone Patti Smith ist, hat ihren Männerjacken alle Aggressivität ausgetrieben – einfach indem sie die Ärmel verändert hat. Die neuen Ärmel waren nicht mehr exakt um die Schultern konstruiert, sondern fielen lose von einem runden Schulteransatz. Plötzlich war alles Gewand: Pullover, Kleider, Schulteransatz. Vor allem die Kleider, aus Leder oder einem festen Wollstoff, ähnelten Mönchskutten. Oder waren es Büßerhemden?
Nur der tiefe V-Ausschnitt hätte im Kloster vielleicht Anstoß erregt. Auch die Mäntel waren meist bodenlang. „Wenn ich darüber nachdenke, was die Welt am meisten braucht, dann würde ich sagen: wahre Werte“, erklärte sie im französischen Fernsehen.
Veronique Branquinhos Mittelalter ist mehr durch die Brille des 19. Jahrhunderts gesehen. Ihre Models waren wie immer so gut verpackt, daß auch Queen Neben Mönchen ist auch die Soldatin gefragt Foto: AP
Victoria sie gebilligt hätte. Nun, es ist eine Winterkollektion, und da macht es immerhin Sinn. Die langen Faltenröcke, die ihr Markenzeichen sind, waren diesmal mit einem Band an der Seite ein Stückchen hochgerafft. Darunter lugte ein Unterrock hervor. Wird sie etwa kokett? Das Obermaterial war aus Wolle in unterschiedlichen, aber immer dunklen Naturtönen und der Unterrock war – schwarz. Im Showroom zeigte sich, daß es nicht einer, sondern drei Unterröcke waren: Der erste mit einem Volant unten, der zweite war ein Faltenrock, und der dritte war glatt. Unter den Röcken sahen auch noch Hosenbeine hervor. Eigentlich waren es, wie soll man sagen – Hosenbeinstulpen? Oder Beinlinge?
Jedenfalls waren es richtige Hosenbeine aus Cord oder Wollstoff, die von einem elastischen Bündchen über dem Knie festgehalten wurden. Dazu trugen die Models viktorianische Blusen oder schöne dicke Pullover mit Zopfmuster. Entgegen dem modernen Credo, daß alles möglichst leicht sein muß, haben Branquinhos Kleider eine große Schwere, eine Solidität, wie man sie sonst nur noch in Secondhandläden bei Herrenmänteln aus den 50er Jahren findet.
Olivier Theyskens gilt als „gothic“. Image verpflichtet: Sein Defilee fand im Dunkeln statt. Gelegentliche Lichtblitze zeigten immerhin, daß die Kleider meist schwarz waren. Auch Leder glänzte hier und da auf. Bekannt wurde er vor einem Jahr mit seinen rabiaten Korsetts aus Leder.
Im Showroom hing jedoch eine überraschend kommerzielle Kollektion. Hosen aus weichem Leder, Anzüge mit verdeckter Knopfleiste, bei denen die obere Tasche bis ins Revers geschnitten war, und blaue Kaschmirpullover. Und der Hype? Ganze zwei Korsagen mit Kapuzen. Wie sie so verkehrt herum am Bügel hingen, erinnerten sie eher an Bienenkörbe als an Fetischobjekte. Anja Seeliger
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