Proztessauftakt im Fall "Hatun & Can": Verteidiger: Alles nur Intrigen
Udo D. steht vor Gericht, weil er Spenden an den Frauennothilfe-Verein Hatun & Can verprasst haben soll. Sein Anwalt sucht die Schuld bei RTL, gekauften Zeugen und der Konkurrenz.
Seit acht Monaten sitzt Udo D. im Gefängnis. Er soll Spenden an den von ihm gegründeten Verein Hatun & Can für eine Luxusreise, ein Auto und in Bordellen verprasst haben. Am Freitag begann der Prozess gegen den 43-Jährigen mit einem Befangenheitsantrag des Verteidigers. Das Gericht habe seinen Mandanten auf Druck der Medien vorverurteilt, sagte Hubert Dreyling. Der Hauptzeuge der Anklage sei gekauft, sein Mandant sei V-Mann des LKA und die ganze Kriminalisierung des Udo D. eine Intrige des Konkurrenzvereins Papatya.
Anlass der Gründung von Hatun & Can 2006 war der "Ehrenmord" an Hatun Sürücü. Ihr eigener Bruder hatte die 23-Jährige auf offener Straße erschossen. Ihr Sohn Can wächst nun bei Pflegeeltern auf. "Damit so etwas nie wieder passiert", habe sein Mandant den Verein zusammen mit der besten Freundin der Ermordeten gegründet, sagt Dreyling. Udo D. selbst sei mit Sürücü befreundet gewesen.
Die Staatsanwaltschaft, die gegen D. die Vorwürfe des Betruges und der Urkundenfälschung erhebt, geht dagegen davon aus, dass der Angeklagte den Verein nur gründete, um sich zu bereichern. Eine "absurde und boshafte" Behauptung, so Dreyling. Selbstverständlich habe der Verein Aktivitäten im Satzungssinne entfaltet. Staatsanwaltschaft und Gericht hätten sich "vor den Karren von RTL und Alice Schwarzer spannen lassen".
Der Fall hatte bundesweites Interesse erregt, weil Schwarzer selbst schwere Vorwürfe gegen D. erhebt. Die Emma-Chefredakteurin hatte bei Günther Jauchs "Wer wird Millionär?" 500.000 Euro gewonnen und sie Hatun & Can zugesprochen. Später wurde Schwarzer misstrauisch und erstattete gegen D. Anzeige.
Mit rund 180.000 Euro soll sich der Vereinsvorsitzende bereichert haben. Zu dieser Einschätzung kam die Staatsanwaltschaft vor allem nach der Aussage eines Exmitarbeiters des Vereins. "Ein ganz und gar kriminelles Beweismittel", meint Dreyling. Der Zeuge habe Udo D. zu erpressen versucht und sich schließlich vom Stern kaufen lassen. Sein Mandant lebe in bescheidensten Verhältnissen in einer Neuköllner Hinterhauswohnung und habe die Spendengelder nie für private Zwecke verwendet. Vor allem die Behauptung, dass Udo D. zum Vergnügen in Thaibordellen verkehrte, sei eine Lüge. Sein Mandant spreche Thailändisch, war früher mit einer Thailänderin verheiratet. Deshalb habe er für das LKA als V-Mann in der Szene gearbeitet und regelmäßig Hinweise auf Betäubungsmitteldelikte gegeben. Auf keinen Fall habe er "sechsstellige Summen in Thaibordellen verjuchtelt". Vielmehr seien die "Kostenlöcher" entstanden, weil D. seine zahlreichen HelferInnen "schwarz und ohne Quittung" bezahlt habe.
Am 5. November geht der Prozess gegen Udo D weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär