Prozessbericht: Brüder, zur Sonne, zum Richter!
Zwei Männer sollen in FDJ-Montur demonstriert und damit gegen das Versammlungsrecht verstoßen haben.
Der Fall ist knifflig, das gibt auch Amtsrichter Andreas Rische zu. Michael W., 39, und German L., 29, haben eine schriftliche Verurteilung ohne Gerichtsverhandlung nicht akzeptieren wollen; darum sind sie mit ihren beiden Anwältinnen zu ihm ins Amtsgericht Tiergarten zitiert worden. Die beiden tragen die blauen Hemden der Freien Deutschen Jugend (FDJ), auf deren Ärmeln sich das Emblem mit der aufgehenden Sonne befindet. In dieser Aufmachung sollen sie gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben, als sie sich am 13. August 2012 zur Gedenkstätte „Berliner Mauer“ begaben und sich gegenüber mit einem Transparent aufstellten.
Darauf stand: „Erst die DDR kassieren, heute Europa diktieren und morgen gegen die Welt marschieren“ – womit die FDJ-Fans gegen die Kriegseinsätze der Bundeswehr protestieren wollten.
Zwei Menschen bekunden friedlich ihre Meinung – kein Problem. Der Haken: Die 1936 im Exil gegründete antifaschistische Jugendorganisation wurde 1951 vom Bundesverfassungsgericht verboten, nachdem sie sich massiv gegen die Remilitarisierung der Bundesrepublik ausgesprochen hatte. Mindestens zwei ehemalige Nazi-Richter setzten ihre Unterschrift unter diesen Beschluss, der heute nicht mehr denkbar wäre, wie die Verteidigerinnen der beiden Angeklagten gestern vortrugen.
Das Verbot betraf jedoch nur die West-FDJ, die im Osten und in Westberlin war davon nicht betroffen, hier durfte man weiterhin Blauhemden tragen und sich mit „Freundschaft“ grüßen. Auch die Wiedervereinigung änderte an dieser Rechtsprechung nichts; in den alten Bundesländern blieb die FDJ verboten, im Osten und in Berlin erlaubt.
Unterschiedliche Logos
Nun taten die Angeklagten ihre Meinung allerdings definitiv in Berlin kund. Kriminalisieren könne man kann dies dennoch, meint Staatsanwalt Norbert Winkler – weil das Emblem der verbotenen FDJ nicht von dem der nicht verbotenen Organisation zu unterscheiden ist. Alle drei FDJ-Organisationen hatten unterschiedliche Logos.
Dazu hat Verteidigerin Gabriele Heinecke ein Rätsel vorbereitet. Sie hat drei FDJ-Embleme mitgebracht und bittet den Richter, diese der FDJ-Ost, der FDJ-West und der FDJ-West/Berlin zuzuordnen. „Ich löse so ungern Rätsel“, meint Andreas Rische augenzwinkernd – und deutet an, dass er die beiden wohl nicht wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilen wird.
Bleibt noch das nach Paragraf 3 Versammlungsgesetz verbotene Tragen einer Uniform als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung, für das der Richter immerhin bis zu zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe verhängen kann. Am 15. April soll das Urteil fallen.
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