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ProzessSieg der Prozessökonomie

Ein Zuhälter und Menschenhändler wird in einem Schnellverfahren verurteilt und kommt doch frei. Die Anklage ruhte sechs Jahre am Landgericht, ehe sie verhandelt wurde.

Andree P. war auch einer von 14 Hells Angels, über die das Landgericht Verden 2008 milde urteilte. Jetzt wurde ihm die Strafe angerechnet. Bild: dpa

Am Ende verlässt Andree P. das Gericht als freier Mann. Obwohl er gerade eben wegen Zuhälterei, schwerem Menschenhandel und Ausbeutung von Prostituierten verurteilt wurde.

Und obwohl, nein: weil der 39-Jährige in den vergangenen Jahren mehrfach verurteilt wurde - wegen Betruges, räuberischer Erpressung, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung. Zuletzt vom Landgericht Verden, als einer von 14 Hells Angels, die 2006 in Stuhr Rocker der konkurrierenden Bandidos überfallen und brutal verprügelt haben.

Vier Jahre, so lautete das Urteil gestern - ein Deal. Eine Haftstrafe, die auch jene aus Verden miteinbezieht. Und von der auch noch ein Jahr abgezogen wird: Denn die Anklage, die gestern in einem Schnellverfahren abgehandelt wurde, lag schon seit 2003 beim Landgericht. Unbearbeitet. Weil andere Fälle Vorrang hatten, sagt das Gericht. Und weil keine Strafkammer sich der schwierigen Materie annehmen wollte, sagt die Staatsanwaltschaft. Selbst Richter Christian Zorn musste eingestehen, dass so etwas "rechtsstaatswidrig" ist. Ein Teil der Vorwürfe ist mittlerweile verjährt, andere beruhen auf Gesetzen, die so gar nicht mehr gelten.

Die Reststrafe für P., die Zorn ausspricht - drei Jahre ohne Bewährung - hat der mittlerweile zu zwei Dritteln abgesessen. Er kann also wegen guter Führung vorzeitig entlassen werden. Auch wenn selbst sein Verteidiger Lars Wunderlich nicht darauf beharren mag, dass der ehemalige Klosterschüler P. derzeit lediglich, wie er offiziell angibt, als Getränke-Logistiker sein Geld verdient. Auf bescheidene 1.100 Euro beziffert er sein Gehalt. Und machte vor Gericht gestern zugleich demonstrativ deutlich, wer ihm den Rücken stärkt. "Hells Angels World" steht dort in großen roten Lettern. Bis ihm sein Anwalt bedeutet, doch lieber einen schlichten schwarzen Pulli überzuziehen.

Über seine Arbeit als Zuhälter und Menschenhändler schweigt er vor Gericht, stattdessen verliest sein Anwalt eine dürre Erklärung, in der alle Vorwürfe pauschal als "zutreffend" beschrieben werden. Die hatte zuvor Staatsanwalt Hans-Ulrich Kraft länglich aufgelistet. Es geht dabei um Frauen, die als "Natascha", "Mia" oder "Carina" für Andree P. anschaffen gingen und zumeist aus Russland oder Litauen stammen. Übers dänische Ålborg kamen sie nach Bremen, dort wurden sie mit Deutschen verheiratet. Die Anklage spricht von "Scheinehen", doch all das wird nicht näher erörtert. In Deutschland jedenfalls durften die Frauen gleichwohl nicht legal arbeiten, damals zumindest, vor der EU-Erweiterung. Und mussten doch bis zu 100 Euro pro Tag abdrücken, dazu Geld für Anzeigen in der örtlichen Boulevardpresse. Auch Kosten für Heirat und Einreisevermittlung galt es "abzuarbeiten", mal wurden 1.000 Mark, mal 12.000 Euro dafür in Rechnung gestellt. Dazu mussten sie sich zehn Stunden am Tag Freiern anbieten, durften das Haus nicht verlassen, ihren Pass nicht behalten.

Drei von ihnen waren bereit, als Zeuginnen auszusagen, eine von ihnen war Nebenklägerin, ohne selbst vor Gericht zu erscheinen. Sie sei froh, sagt ihre Anwältin Sonja Briesenick, nicht noch mal aussagen zu müssen, nachdem sie bereits "stundenlang" vor Polizei und Staatsanwaltschaft vernommen wurde.

Und "der Gesamtsituation", sagt Briesenick, könne dieses Verfahren ohnedies "nicht gerecht" werden. Und das Urteil, sagt sie, könne man den Opfern auch "kaum erklären". Wunderlich nennt das Ergebnis "unbefriedigend", selbst Zorn wirkt nicht überzeugt, als er schließlich von "später Gerechtigkeit" redet. Es siegt die Prozessökonomie, ein weiterer Altfall gilt als erledigt. "Es verändert sich nichts Wesentliches", sagt Zorn schließlich. "Aber das Verfahren ist abgeschlossen."

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