: Prozess wegen Terror in Moskau beginnt
In Russland stürmten vor mehr als einem Jahr dschihadistische Terroristen eine Konzerthalle
Nach dem islamistischen Terroranschlag auf eine Moskauer Konzerthalle mit mehr als 140 Toten verhandelt ein russisches Militärgericht gegen die mutmaßlichen Attentäter und Komplizen. Der Auftakt des Mammutprozesses gegen 19 Angeklagte im großen Gebäude des Moskauer Stadtgerichtes fand öffentlich statt, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete. Auf Antrag der Ankläger wurde die Sitzung dann aber aus Sicherheitsgründen für geschlossen erklärt. Anwälte der Nebenkläger traten vergeblich für eine öffentliche Verhandlung ein. Mindestens 115 Geschädigte sollen als Nebenkläger beteiligt sein. Der Strafprozess wurde zwar angekündigt, der Beginn aber bis Sonntag geheim gehalten.
Vor mehr als einem Jahr, am 22. März 2024, waren der Anklage zufolge vier bewaffnete Männer in die Konzerthalle Crocus City Hill in Krasnogorsk am Moskauer Stadtrand eingedrungen. Sie schossen auf Besucher und Besucherinnen eines Konzerts der russischen Rockgruppe Piknik und legten Feuer. Ein Teil des Gebäudes stürzte ein. Zur Zahl der getöteten Opfer kursieren in russischen Medien unterschiedliche Zahlen. Tass schrieb unter Berufung auf die Generalstaatsanwaltschaft von 149 Toten und einem Vermissten. Die Nachrichtenagentur Interfax berief sich ebenfalls auf die Behörde, schrieb aber von 147 Toten und 3 Vermissten. Mehr als 330 Menschen wurden verletzt.
Die Attentäter, Männer aus der zentralasiatischen Republik Tadschikistan, flüchteten in einem Auto und wurden im russischen Gebiet Brjansk nahe der Grenze zur Ukraine und zu Belarus gefasst. Direkt danach führte die russische Justiz sie der Öffentlichkeit vor, mindestens ein Mann wies dabei Spuren von Folter auf.
Auch die mutmaßlichen Komplizen stammen aus dem früher sowjetischen Zentralasien. Sie sollen die Terroristen mit Geld, Autos oder Waffen versorgt oder ihnen Unterschlupf gewährt haben. Nach sechs weiteren mutmaßlich Beteiligten wird noch gefahndet.
Russland ist in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach von islamistischen Terroranschlägen erschüttert worden. Den Überfall auf die Crocus City Hall reklamierte die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) über ihre bekannten Kanäle für sich. Westliche Sicherheitsbehörden und Experten halten das Bekenntnis für glaubhaft und vermuten den IS-Ableger „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) hinter dem Anschlag.
Auch Moskauer Staatsvertreter bis hinauf zu Präsident Wladimir Putin gehen von einem IS-Angriff aus. Zugleich versuchten die russischen Behörden von Anfang an, die Schuld angeblichen ukrainischen Drahtziehern zuzuschieben. Stichhaltige Belege wurden nicht präsentiert, und die Regierung in Kyjiw hat jede Beteiligung dementiert. (dpa)
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