Prozess vor Landgericht: Neonazi greift wahllos Leute an
Ein 25-Jähriger aus Schöneweide ist wegen zweifachen Mordversuchs angeklagt. Aus bloßem Fremdenhass habe er die beiden Männer lebensgefährlich verletzt, so die Anklage
Der Fall weckt schlimme Erinnerungen an den Terror der NSU. Ein 25-jähriger Berliner aus Schöneweide wollte offenbar wahllos Ausländer töten. Stefan H. stach auf einen Pizzabäcker in seiner Nachbarschaft ein, Monate später ging er auf einen Mitgefangenen mit vietnamesischen Wurzeln los. Beide überlebten nur knapp. Am Donnerstag hat das Landgericht den Prozess gegen ihn eröffnet. Dem Mann wird versuchter Mord in zwei Fällen vorgeworfen. Sein Verteidiger erklärte, der Angeklagte glaube, dass es keine Straftaten sind, wenn man gegen Nichtdeutsche vorgehe.
Regungslos verfolgt Stefan H., wie die Anklage verlesen wird. Die Staatsanwältin wirft ihm vor, „aus bloßem Fremdenhass“ gehandelt zu haben. Das erste Opfer, ein 38-jähriger Libanese, befand sich am 9. Oktober 2011 in einem Hinterraum der Pizzeria in Oberschöneweide. Als der Pizzabäcker in den Verkaufsraum zurückkehrte, stand ihm unerwartet H. gegenüber. Ohne ein Wort zu sagen, habe er mit einem Filetiermesser seinem Opfer in den Bauch und in den Oberarm gestochen, so die Anklage. Das 16 Zentimeter lange Messer brach dabei ab. H. habe die Pizzeria danach fluchtartig verlassen. Das lebensgefährlich verletzte Opfer konnte noch seinen Bruder alarmieren, eine Notoperation rettete ihm das Leben.
Die Polizei stand anfangs vor einem Rätsel. Eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Pizzabäcker und dem Täter gab es offenbar nicht, sagte auch der Verteidiger am Donnerstag vor Gericht. Der Angeklagte wohnte lediglich in der näheren Umgebung.
H., arbeitslos, sieht älter aus als 25 Jahre. Eine Ausbildung zum Elektromonteur hat er abgebrochen, zu seiner Familie hat er anscheinend keinen Kontakt. Mehrfach wurde er wegen kleinerer Delikte verurteilt, unter anderem wegen Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein und Hehlerei. Im Februar 2012 saß er deshalb in der Haftanstalt Plötzensee eine Ersatzfreiheitsstrafe ab. Dort beging er auch die zweite Tat. Mit einem selbst gebauten Messer griff, so die Anklage, er einen vietnamesischstämmigen Mitgefangenen an. Er habe ihn auf ein Bett gedrückt und mehrfach zugestochen. Über die andere Hand habe er eine Plastiktüte gezogen, offenbar, um Spuren zu beseitigen. Auch der Mitgefangene musste notoperiert werden und überlebte wohl nur, weil seine Schreie von anderen Häftlingen gehört wurden.
Erst durch diese zweite Tat kam er überhaupt in den Verdacht, auch den Pizzabäcker attackiert zu haben. Bei der folgenden Vernehmung habe er sich als „national denkender Mensch“ bezeichnet, so ein Gerichtssprecher, und mehrfach fremdenfeindlich geäußert haben.
Vor Gericht erklärte der Angeklagte, er habe aus Notwehr gehandelt, ohne dies näher zu erläutern. Stefan H. kündigte aber an, am zweiten Prozesstag umfassend aussagen zu wollen. Womöglich wird er nicht zu einer Haftstrafe verurteilt. Denn zum Tatzeitpunkt sei er unzurechnungsfähig gewesen, erklärte sein Verteidiger am Rande des Prozesses. Nach einem vorläufigen Gutachten leide er an einer schweren Schizophrenie und werde vielleicht in psychiatrische Behandlung kommen.
Ob er Verbindungen zur organisierten rechtsextremen Szene unterhält, blieb unklar. Zumindest fühle sich der Angeklagte diesen Kreisen zugehörig, so der Verteidiger. Der Prozess wird am 10. Januar fortgesetzt.
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