Prozess um die Affäre Wulff: Rede und Antwort
Auch vor Gericht beharrt Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring darauf: Über Ex-Bundespräsident Christian Wulff wurde stets korrekt informiert.
BÜCKEBURG taz | Showdown in der Wulff-Affäre: Seit Freitag verhandelt Niedersachsens Staatsgerichtshof eine Klage der SPD-Landtagsfraktion gegen die schwarz-gelbe Landesregierung. Die SPD sieht sich sowohl unter dem einstigen Ministerpräsidenten Christian Wulff wie auch unter dessen Nachfolger David McAllister (beide CDU) falsch über die umstrittene Partyreihe „Nord-Süd-Dialog“ informiert. Das wäre ein Bruch der Landesverfassung: „Nach bestem Wissen, unverzüglich und vollständig“ sei das Parlament zu unterrichten, heißt es dort.
2010 hatte Wulffs Staatskanzlei auf Anfrage des SPD-Abgeordneten Heiner Bartling hin eine Beteiligung des Landes an der Organisation und Finanzierung der Politpromi-Events verneint. Im Januar 2012 – zur Hochphase der Affäre um den Ex-Bundespräsidenten – fragte die SPD erneut nach. Und auch die Regierung McAllister stritt jegliche Landesbeteiligung ab. Es folgten Medienberichte über Landesbetriebe, die bei „Nord-Süd“ eingespannt waren, vom Land finanzierte Gastpräsente, Ermittlungen gegen Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit Sponsorenwerbung.
Nichtsdestotrotz: „Nach bestem Wissen und Gewissen“ seien die SPD-Anfragen beantwortet worden, erklärte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) auch am Freitag vor Gericht in Bückeburg, wo er als Vertretung für Regierungschef McAllister antrat. Und machte zugleich deutlich: Er habe nichts mehr zu verlieren. Sollten die Richter gegen ihn entscheiden, werde er das „die nächsten sechs Monate akzeptieren und danach wieder meine Privatmeinung vertreten“.
Offiziell waren die Promi-Events zwischen 2007 und 2009 in Stuttgart und Hannover reine Privatveranstaltungen. Schirmherren: die damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger und Christian Wulff (beide CDU).
Für den Dialog 2009 im Flughafen Hannover stellte die Medizinische Hochschule - ein Landesbetrieb - gratis Studierende als Servicekräfte ab. Das Agrarministerium zahlte Gastgeschenke.
Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker soll nicht nur Sponsoren geworben und dafür Gratisurlaube erhalten haben. Gemeinsam mit dem damaligen Staatskanzleichef Lothar Hagebölling führte er ein Krisengespräch mit dem Flughafen, als die Party zu platzen drohte.
Bei der Landtagswahl im Januar 2013 tritt Möllring, seit 2003 Finanzminister, nicht mehr an – neben seiner schnoddrigen Art vermutlich einer der Gründe, warum er in der gesamten Wulff-Affäre für die Landesregierung gesprochen hat. Blieb McAllister in der Debatte quasi stumm, stand Möllring allein im Landtag und in Ausschüssen gut 20 Stunden lang Rede und Antwort.
Für die Antworten sei „aufwendig“ zu den „Nord-Süd-Dialogen“ recherchiert worden, führte Möllring nun an. Hinweise auf Landesbeteiligungen habe es zunächst nicht gegeben. Wulffs Ex-Sprecher Glaeseker aber habe er bei seinen Recherchen nicht erreichen können. Warum man sich dennoch erneut auf die Version Nicht-Beteiligung festgelegt hat? „Hinterher ist man immer schlauer“, räumte Möllring ein.
Wie das Gericht Möllrings Auftritt am Freitag wertet, wird sich in rund sechs Wochen zeigen. Dann wird ein Entscheid erwartet. Mehr als eine Rüge kann das Gericht nicht aussprechen, Sanktionsmöglichkeiten hat es nicht. Sollte es jedoch feststellen, dass die Landesregierung gegen die Verfassung verstieß, wäre das „nicht gerade ein gutes Zeugnis“, so SPD-Klageführer Bartling. Ob sich die Richter um den als CDU-nah geltenden Staatsgerichtshof-Präsidenten Jörn Ipsen dazu durchringen, ist indes offen: Die halbe Verhandlung lang ließen sie allein die Frage diskutieren, ob die SPD überhaupt rechtsschutzbedürftig ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch