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Prozess um Pharma-AngestelltenKündigung wegen HIV rechtens

Ein Pharma-Angestellter mit einer HIV-Infektion wurde vom Unternehmen gekündigt. Ein Gericht hat die Klage des Gekündigten abgewiesen. Die AIDS-Hilfe kritisiert die Entscheidung.

Kein Job mit Aids: In der Pharmabranche gilt das offenbar noch. Bild: dpa

BERLIN dapd | Im Rechtsstreit um eine Kündigung wegen einer HIV-Infektion hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen. Auch ein Anspruch auf Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde ihm nicht zuerkannt. Die Deutsche Aids-Hilfe bedauerte die Entscheidung.

Wie das Gericht am Freitag mitteilte, war der Mann von einem Pharmaunternehmen als chemisch-technischer Assistent beschäftigt und bei der Herstellung von Medikamenten im "Reinbereich" eingesetzt worden. Das Unternehmen hatte für diesen Bereich allgemein festgelegt, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen jedweder Art - insbesondere auch mit HIV-Infektion - nicht beschäftigt werden dürften.

Das Gericht hielt die Kündigung deshalb für rechtswirksam. Sie sei "nicht willkürlich" und verstoße nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Dem Arbeitgeber könne nicht verwehrt werden, für die Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen, hieß es in der Begründung. Das Gericht ließ aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

Aids-Hilfe: Gericht hat Chance vertan

Dagegen sagte die Geschäftsführerin der Deutschen Aids-Hilfe, Silke Klumb: "Das Landesarbeitsgericht hat eine Chance vertan, Rechtssicherheit für Menschen mit HIV und anderen chronischen Krankheiten zu schaffen." Der Verband werde sich weiterhin dafür einsetzen, diese Menschen unter den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu stellen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe will eigenen Angaben zufolge erreichen, dass künftig auch Menschen mit chronischen Erkrankungen durch das AGG vor Diskriminierung geschützt werden. Unterstützt werde sie dabei unter anderem von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung.

(Urteil vom 13. Januar 2012 - 6 Sa 2159/11)

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5 Kommentare

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  • P
    Piet

    In der Taz-Redaktion hätte der Mann wohl keine Probleme,

     

    aber ein HIV-Positiver in der Medikamentenherstellung?

     

    Hallo? Geht's noch?

     

    Die AIDS-Hilfe hat wohl den Schuss nicht gehört...

  • JC
    Johnny Cynic

    Hat die engagierte Frau Klumb auch bedacht dass ein HIV-Positiver ein weit größeres Infektionsrisiko darstellt und die Medikamente mit Candida albicans, Staphylococcus aureus oder andreren "Sekundärinfektionen" verseuchen kann?

  • SW
    S. Weinert

    Ich finde die Überschrift für taz-Verhältnisse (wieder einmal!) ziemmlich reißerisch. Dem armen, schutzbedürftigen Arbeitnehmer wird von der immer bösartigen Krake Arbeitgeber böse mitgespielt - Skandal garantiert.

     

    Nach dem Lesen des Artikels bin ich mir da jedoch nicht so sicher. Ich glaube, mit der HIV-Infektion verändert sich das Leben eines Betroffenen grundlegend - dies gilt (leider) auch für sein Arbeitsleben. Ich gebe nicht vor, sehr viel über Infesktionswege von HIV zu wissen, aber ob man als Betroffener wirklich einen Vollschutz rund um die Uhr betreiben kann, wage ich zu bezweifeln. Da kommt bei mir die Erinnerung auf an das berühmte "Phantom von Heidelberg", die sicherlich auch die branchenüblichen Schutzmasken und-anzüge getragen hat oder die vor gar nicht allzu langer Zeit erfolgte massenhafte Hepatitis-Übertragung Kranker durch eine Pflegekraft in einem Klinikum in Norddeutschland. Ihr war die Infektion bekannt und sie hat sich nach eigener Auskunft "immer bemüht, eine Infektion zu vermeiden".

     

    Ich kannn verstehen, dass ein Arbeitgeber hier das Risiko (das sich auch in Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe äußern kann) scheut und die Probezeit nutzt, um eine Kündigung auszusprechen. Zumal nach drei Wochen noch kein enges Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis entstanden sein kann, so dass eine Kündigung als menschenverachtend angesehen werden könnte.

     

    Es gibt auch für einen HIV-Positiven Arbeitnehmer andere Jobmöglichkeiten (der Kläger hat ja anscheinend nach vier Wochen auch einen neuen Job gefunden) - er muss nicht unbedingt in einem hochsensiblen Bereich arbeiten. Es gibt einfach Dinge, die ändern sich mit der Erkrankung, alles andere ist reines Ignorieren von Tatsachen.

  • VU
    Verraten und verkauft

    Statt dem Arbeitnehmer zu kündigen, hätte das Unternehmen sich gemeinsam mit dem Arbeitnehmer nach einem anderen Arbeitsplatz umschauen können. Möglichkeiten gibt es viele, wenn man nur will.

     

    Wenn demnächst im Rahmen der Einführung der elektronische Gesundheitskarte (eGK) unsere Patientenakten in einer zentralen Datenbank eine dubiosen Unternehmens gespeichert werden (außerhalb der Arztpraxen und Krankenhäuser), dann wird es lustig. Fälle wie der im Bericht vorgestellte werden sich häufen. Gründe wird es jede Menge geben. Den meisten Menschen ist überhaupt nicht bewusst, was mit der eGK geschaffen wird und was die Folgen sein werden. Danke dafür an die CDU/CSU, FDP, Grünen und SDP!

  • KS
    kleiner Spinner

    Was treiben die denn in ihren Labors??