Prozess gegen Großprojekte in Ecuador: „Gringos mit vollem Bauch“
Der Menschenrechtsgerichtshof kommt ins Amazonasdorf Sarayaku in Ecuador. Dort wehren sich die Indígenas gegen die militärisch gedeckten Aktivitäten ausländischer Ölfirmen.
ASUNCIÓN taz | Die ecuadorianische Urwaldgemeinde Sarayaku ist dabei, Rechtsgeschichte zu schreiben. Am Wochenende empfingen die Indígenas vom Volk der Kichwa eine Delegation des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs zu einem Ortstermin. Damit ist die letzte Etappe in einem neunjährigen Musterprozess um das „Recht auf vorherige Konsultation“ indigener Völker bei Großprojekten eingeleitet.
Das Urteil wird in einigen Monaten gefällt. Richter Diego García Sayán leitete die erste Versammlung in Ecuadors südlichem Amazonasgebiet. Die Kichwa werfen dem Staat Ecuador vor, die Aktivitäten ausländischer Erdölfirmen durch die Armee abgesichert zu haben.
Der Dorfbewohner Franco Viteri schilderte, wie 2002 und 2003 Ölarbeiter der argentinischen Firma CGC in Begleitung von Soldaten auf das Gemeindegebiet vordrangen, große Waldflächen zerstörten und Hunderte Kilo Sprengstoff für seismografische Messungen im Boden vergruben: „Nicht einmal die Schamanen, die Schwangeren und die Kinder haben sie respektiert.“
1996 wurde die Föderkonzession erteilt
Durch die künftig geplante Ölförderung sehen die 1.300 Einwohner Sarayakus ihre Existenzgrundlage bedroht. 1996 hatte die CGC die Förderkonzession für den Block 23 erhalten, der in das 1.300 Quadratkilometer große Gemeindegebiet hineinreicht. Nach dem Widerstand Sarayakus zog sich die Firma zurück und verklagt Ecuador vor dem Weltbank-Schiedsgericht Icsid. Die Kichwa fordern von der Regierung ebenfalls Entschädigung sowie die Beseitigung des Sprengstoffs.
Ebenfalls vor Ort war Alexis Mena, ein einflussreicher Berater von Präsident Rafael Correa. Er betonte das Recht des Staates, die Bodenschätze auszubeuten, um mit den Erträgen Schulen, Gesundheitsstationen und Straßen bauen zu können. Der linke Staatschef wies am Samstag im Fernsehen auf die Verantwortung seiner Vorgänger in der Causa Sarayaku hin.
Die „vorherige Konsultation“ sei nicht gleichbedeutend mit einem Vetorecht, erklärte Correa. Den Indígenas warf der Staatschef vor, den Konflikt künstlich zu verlängern, um jegliche Ölforderung im Amazonasgebiet zu verhindern. Dabei setzten sie auch auf die Hilfe ausländischer Umweltgruppen, schimpfte Correa: „Empörend, dass diese Gringos mit vollem Bauch herkommen, um hier das zu versuchen, was sie in ihren eigenen Ländern nie geschafft haben.“
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