piwik no script img

Prozess Jugendgewalt im Berliner U-BahnhofEin Gefühl von Angst

In Berlin begann der Prozess gegen einen 18-Jährigen, der am Ostersamstag einen Mann im U-Bahnhof fast tötete. Der Angeklagte mag sich kaum erinnern.

Der Angeklagte Torben P. während des Prozessauftakts in Berlin. Bild: reuters

BERLIN taz | In der Gerichtsverhandlung geht es um Bilder. Das Bild, das der 18-jährige Schüler Torben P. als Angeklagter von sich entwirft, passt nicht zu den Bildern, auf die sich die Anklage stützt. "Meine Tat ist eine Schweinerei", sagt Torben P. Stockend und ein wenig hölzern verliest der 1,99 Meter große schlanke junge Mann eine zusammen mit seinen Verteidigern verfasste Erklärung. Der Gerichtssaal ist voll. Das Interesse der Öffentlichkeit an dem Prozess gegen "den U-Bahn-Schläger" – wie der Angeklagte von den Medien getauft worden ist – ist groß.

Die Bilder aus den drei Überwachungskameras, die auf dem Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße aufgenommen wurden, zeigen einen Torben P., der wie eine Furie agiert. Er holt mit einer Flasche zum Schlag aus, streckt einen 29-jährigen Mann nieder, mit dem er zuvor Streit hatte. Der Mann fällt bewusstlos zu Boden. Trotzdem springt ihm Torben P. noch vier Mal mit voller Wucht gegen den Kopf.

Die Tat ereignete sich Ostersamstag gegen 3 Uhr morgens. Dem 29-jährigen Handwerker, der wie durch ein Wunder überlebte, fehlt jegliche Erinnerung an den Vorgang. In den Monaten zuvor hatten sich die Übergriffe in Berliner U-Bahnhöfen gehäuft. Doch dieser erschreckte durch seine besondere Brutalität.

Seit Dienstag muss sich Torben P. vor einer Jugendkammer des Berliner Landgerichts wegen versuchten Totschlags verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er trotz seines erheblichen Alkoholkonsums die Lebensgefährlichkeit seines Tuns hätte erkennen müssen und den Tod des Geschädigten Markus P. billigend in Kauf genommen habe.

Eine Erklärung blieb der Angeklagte schuldig

Torben P. habe sogar ein fünftes Mal zutreten wollen, sei nur durch das Eingreifen eines Zeugen daran gehindert worden. Auch der Zeuge wurde von Torben P. und dessen Freund Nico A., der im Prozess mitangeklagt ist, zusammengeschlagen. Dann flüchten die beiden 18-Jährigen aus dem Bahnhof.

Eine Erklärung für sein Verhalten blieb Torben P. am ersten Prozesstag schuldig. Aus den Videos geht hervor, dass es auf dem U-Bahnhof eine Vorgeschichte gegeben haben muss. Das spätere Opfer wartete auf einer Bank auf die U-Bahn.

Auch Torben P. und Nico A. saßen dort. Auf den Bildern sei zu sehen, wie Torben P. plötzlich wild gestikulierend aufspringe, hält ihm der Vorsitzende Richter Uwe Nötzel vor. Er könne sich an keinen Wortwechsel erinnern, beteuert Torben P. Die Erinnerung in seinem Kopf sei von den Videobildern überlagert, die er inzwischen vielfach gesehen habe. Das Einzige, an was er sich erinnere, sei ein Gefühl von Angst. "Mein Herz raste, und mein Körper fühlte sich schwer an."

Die beiden 18-Jährigen waren auf dem Heimweg von einer Party. Am Nachmittag seien sie zusammen angeln gewesen, erzählt Torben P. "Wir saßen mit nackten Oberkörpern auf dem Steg und haben die Seele baumeln lassen". Noch so ein Bild. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • T
    Thomas

    Typisch deutsch: über 18 Jahre alt und damit volljährig, fällt aber dennoch unter das Jugendstrafrecht; das passt nicht zusammen.

    "Erinnerungslücken"?, wer will das dem Täter verübeln; dennoch kein Grund für Milde

  • B
    broxx

    Och, süß! Der hat ihn aus Angst fast totgeschlagen! Und mit 6 Jahren ist er mal vom Pferd gefallen. Sein Spielzeug hatte immer die falsche Farbe! Lächerlich. 10-15 Jahre wegen versuchten Totschlag im Erwachsenenrecht und gut ist!!!

  • WF
    Wolf-Dieter Fischer

    Hier wird überaus bewusst, die Psycho-Karte gezogen,um

    Interpretationsspielräume zu schaffen-denn die Videoaufnahmen lügen nicht-damit der Täter(nicht mutmaßlich)keinerlei resp.kaum Repressalien zu befürchten hätte.

    Raffinierte Vorgehensweise,denn schließlich ist er ja

    ein potentieller "Angstpatient", der sich in "Psychologischer Betreuung" befindet und auch auf

    die Gerichtsverhandlung "juristisch gut vorbereitet wurde",den kümmerlichen Rest erledigen seine Anwälte.

  • R
    Rene

    Völlig egal was dieser Schnösel, mit seinem frisch gebügeltem Hemd und durch seinen Anwalt gut vorbereiteten Prozesstaktik auch immer vor Gericht erzählt. Er hat einen Menschen mehrmals auf den Kopf getreten und hat damit schwerste Verletzungen, oder gar den Tod dieses Menschen in Kauf genommen. Einzige vernünftige Strafe wäre eine Freiheitsstrafe. Wäre doch ein Unding wenn er mit Bewährung oder Jugendarrest davon kommt. Auch wenn ihm eine Freiheitsstrafe seine weitere Zukunft verbauen würde. Bei so einer brutalen Tat dürfte ein Richter, auf die Befindlichkeiten des Täters keine Rücksicht nehmen.

  • TS
    Thomas Sch.

    Wahrscheinlich kommt (total überraschend) heraus, daß er ein ganz, ganz pöse Kindheit gehabt hat. Vielleicht war sein Vater ja sogar ein schlimmer Rechtspopulist. Oh weia. Na, dann schicken wir den netten jungen Mann mit der adretten Frisur und dem schicken weißen Hemd mal auf einen (Sozialtrainigs-) Segelurlaub in die Karibik, damit er dort lernt, daß sowas Pöses aktuellerweise zum Beispiel gerade nur bei der NATO in Libyen erlaubt ist. Das hätte er schon wissen können. Er hätte sich halt mal eine Resolution besorgen müssen und den richtigen Feind auswählen sollen. Dann hätten die Öffentlichkeit und die selbstverständlich stets kritischen Medien nichts dagegen gehabt.

    auf deutsch: Bruale Schläger schicken wir quasi zur Belohnung auf einen Segelurlaub und wenn die NATO mal völkerrechtswidrig Libyen ohne Kriegserklärung überfällt und nicht mal die TAZ das ernsthaft moniert,.... tja, dann ist wirklich jede Menge im Argen. Was ist passiert, daß wir immer so viel Mitleid mit dem Agressor haben und das Opfer und so wenig Zeilen wert ist ? Im Grunde genommen sollte man diesen hemmungslosen Schläger zur Strafe öffentlich auspeitschen lassen.

  • E
    EnzoAduro

    1) Wo ist die Piratenpartei und demonstriert gegen die Filmaufnahmen?

     

    2) Weiß der Torben eigentlich was er den Schubladendenkern antut? Wie kann er einfach als Torben jemanden verprügeln? Er hätte sich wenigstens als Tülcu ausgeben können. Und diesen Mike Tyson-Haarschnitt wäre auch passend gewesen. Das hätte das Weltbild von NPD/Freiheit/Pro wasweißich leichter gemacht. Aber so. Bleibt nur zu erwähnen das er sich das von Migranten abgeschaut hat. Aber das ist ja nicht wirklich Befriedigend.

  • E
    emil

    zwanzig jahre ins bergwerk und der ist resozialisiert oder so.

     

    mal ehrlich, bei derartigen gewalttätigkeiten ist es doch egal wie wo was warum, wer dazu in der lage ist hat offensichtlich die grundlagen des gemeinsamen miteinanders nicht verstanden oder lehnt diese ab.

  • L
    lausegaga

    Na, mal sehen, ob der liebe Junge viel mehr als eine saftige Ermahnung bekommt.

    Der ist doch jetzt durch die Videos, die er sich immer wieder anschauen muss, schon total neurotisiert.