Protokoll einer Vergewaltigung: "Plötzlich hat er mir eine gescheuert"

Während ihres Urlaubs wird eine junge Frau von ihrem Surflehrer eingeladen – und vergewaltigt. Danach muss sie neu lernen, zu vertrauen. Hier erzählt sie ihre Geschichte.

Türkisgrünes Wasser: Es begann als unbeschwerter Urlaub Bild: dapd

Im Sommer 2000 bin ich durch Südostasien* gereist. Ich war zwanzig Jahre alt und wollte was sehen von der Welt. Ich landete auf einer kleinen Insel, wo man surfen lernen konnte. Palmen am Strand, türkisgrünes Wasser. Es gab nur eine Hauptstraße, ein paar Bars, Restaurants und Hostels für die vielen Rucksacktouristen.

Ed war ein sympathischer Typ Mitte dreißig. Er hatte an ganz verschiedenen Orten der Welt gearbeitet. Wir verstanden uns gut, attraktiv fand ich ihn nicht. Er war einfach der Surflehrer.

Ed hatte mir gesagt, dass sich am Abend nach meinem Kursende ein paar Leute bei ihm zum Essen treffen würden. Er lebte in einer Wohngemeinschaft ein Stück vom Strand entfernt. Als ich ankam, war außer mir keiner da. Das hat mich nicht gewundert, ich war eine Viertelstunde zu früh. Mir fiel auf, dass Ed nichts zu essen vorbereitet hatte. Dass das seltsam war, wurde mir aber erst im Nachhinein klar.

Wir haben ein Glas Wein getrunken. Dann führte mich Ed durchs Haus. Auf der Insel wurde abends um zehn Uhr der Strom abgestellt, erst frühmorgens ging er wieder an. Man musste Besuchern zeigen, wo die Streichhölzer und die Kerzen liegen. Wir liefen durch die Wohnung. Ed begann ein bisschen zu flirten, das mochte ich nicht so gerne.

Als wir zu seinem Zimmer kamen, fing es an, komisch zu werden. Ed blieb in der Tür stehen, als ich hineinging. Das Bett befand sich direkt daneben. Man musste daran vorbei, wenn man zum Schreibtisch wollte. Da fragte mich Ed, ob ich auf ältere Männer stehe.

Die Situation wurde unangenehm. Ich wollte das Zimmer verlassen und bewegte mich Richtung Tür. Normalerweise macht man dann Platz, aber Ed blieb einfach im Türrahmen stehen. Ein kurzes Stocken, ein Kräftemessen mit Blicken. Und dann hat er mir plötzlich eine gescheuert. Ich war so überrascht, dass ich rückwärts stolperte und auf das Bett fiel.

Frauen, die nicht vergewaltigt wurden, verschwenden kaum einen Gedanken daran, dass Männer stärker sind. Sie leben ohne Angst. Das ist auch richtig so. Aber es ist ein Luxus. Es gibt genug Länder, wo die körperliche Überlegenheit die Hackordnung in der Ehe und in der Gesellschaft bestimmt, wo Frauen auch vor dem Gesetz nicht die gleichen Rechte haben wie Männer.

Bis zum ersten Schlag war ich felsenfest davon überzeugt: Mir kann nichts passieren. Ich kann nein sagen und gehen. Diese Gewissheit habe ich nicht mehr. Die Wahrnehmung, zum schwächeren Geschlecht zu gehören, verändert ganz viel.

In meiner ersten Beziehung nach der Vergewaltigung war an richtigen Sex gar nicht zu denken. Jeder Versuch endete damit, dass ich meinem Freund fast unterwürfig dankbar war, weil er mich zu nichts gezwungen hatte. Das war furchtbar für die Beziehung, sie ging nach drei Monaten in die Brüche.

Oder im Beruf. Wenn ich mit meinem Chef eine Diskussion habe, dann weiß ich zwar vom Kopf, dass er mir nichts tun wird, aber emotional ist das nicht gesichert. Dann bekomme ich Schweißausbrüche und schiele zur Tür, ob sich noch jemand im Büro aufhält. Das Gefühl, dass ein Mann körperlich mehr Macht hat als ich, hemmt mich. Das ist keine gute Grundlage, um überzeugend argumentieren zu können. Ich weiche eher als andere mal einen Schritt zurück.

Wie die Vergewaltigung die Frau in den Jahren danach verfolgt hat, wie sie gelernt hat damit umzugehen und wie es war, den Surflehrer nach der Tat wieder zu sehen, lesen Sie in der aktuellen sonntaz.

Protokoll: Antje Lang-Lendorff

*Region, Name, Nationalität und Beruf des Täters geändert

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