Proteste gegen Chinas Tibetpolitik: IOC lehnt Fackellauf-Abbruch ab
Trotz massiver Proteste gegen China beim Fackellauf will das Internationale Olympische Komitee den Lauf unverändert fortführen. In San Francisco demonstrierten bereits Tausende.
PEKING/ SAN FRANCISCO taz/dpa IOC-Präsident Jacques Rogge wird an diesem Mittwochnachmittag in Peking mit Chinas Premierminister Wen Jiabao über den Stand der Vorbereitungen für die Olympischen Sommerspiele sprechen. Dies bestätigte der Norweger Gerhard Heiberg, Mitglied des Exekutiv-Komitees des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Zudem trifft sich die IOC-Exekutive am Nachmittag zu einer bereits am Wochenende anberaumten außerordentlichen Sitzung, in der auch die weitere Vorgehensweise beim olympischen Fackellauf nach den zahleichen Protestaktionen diskutiert werden soll.
Nach den teilweise gewalttätigen Ausschreitungen beim Fackellauf in London und Paris haben sich die IOC-Mitglieder am Mittwoch am Rande der olympischen Woche in Peking entschieden gegen einen vorzeitigen Abbruch des Fackellaufs ausgesprochen. "Ich habe mit unserem Präsidenten Rogge gesprochen. Er ist zu 100 Prozent überzeugt, dass es keine Änderungen bei der internationalen Route der Fackel geben wird. Aber wir überlegen uns Veränderungen für die Zukunft", sagte Mario Vazquez-Rana, Präsident der Vereinigung aller 205 Nationalen Olympischen Komitees (ANOC).
Gunilla Lindberg, Vizepräsidentin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) meinte: "Wir sollten genauso weitermachen wie geplant. Der Fackellauf muss die internationale Route beenden."
Vor den Olympischen Spielen 2004 in Athen wurde die Fackel erstmals auf Welttour geschickt. Die Organisatoren der Peking-Spiele veranstalten den als "Reise der Harmonie" angepriesenen Fackellauf sogar über 137.000 Kilometer durch 19 Städte außerhalb Chinas. Bei den kommenden Winterspielen 2010 in Vancouver ist geplant, dass die Fackel zwar im griechischen Olympia entzündet, aber danach nur noch in Kanada laufend zur Schau gestellt wird.
Bereits am Dienstagabend hatte IOC-Präsident Rogge im französischen Fernsehen Gerüchte in verschiedenen Medien zurückgewiesen, es werde ein frühzeitiges Ende des Fackellaufs in Erwägung gezogen. "Es ist ein Gerücht, das falsch ist. Es gibt keine Diskussion in diese Richtung."
Am Mittwoch macht der Fackellauf Station in San Francisco, wo erneut Protestaktionen erwartet werden. Tausende Menschen haben dort bereits friedlich gegen die Tibet-Politik Chinas protestiert. Bei einer Kundgebung in der amerikanischen Westküstenstadt am Dienstagabend rief der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu zum Boykott der Olympia-Eröffnungsfeier auf. Er appellierte an die Staatschefs in aller Welt, der Zeremonie in Peking aus Solidarität mit dem tibetischen Volk fernzubleiben. Er hoffe auf friedliche Proteste beim Fackellauf am Mittwoch, sagte der Erzbischof.
Hollywoodstar Richard Gere, Buddhist und ein Freund des Dalai Lama, trat in Begleitung von tibetischen Mönchen vor die Menge. Gere las Auszüge aus einem Brief des Dalai Lama vor, in dem das religiöse Oberhaupt der Tibeter auf die Notwendigkeit gewaltloser Aktionen verweist. Tibet-Unterstützter hatten zuvor symbolisch eine "Tibetische Freiheitsfackel" entzündet und sie mehrere Stunden durch die Stadt getragen. Die Märsche und Kundgebungen am Dienstag verliefen friedlich.
Nach den Ausschreitungen in London und Paris rüstete sich die Stadt für Massendemonstrationen. Zehntausende Demonstranten und Zuschauer wurden an der einzigen US-Station des Fackellaufs erwartet. An der zehn Kilometer langen Strecke entlang der Hafenpromenade stellte die Polizei Absperrungen auf. Die Route könnte kurzfristig verändert und der Lauf vorzeitig abgebrochen werden, stellte Bürgermeister Gavin Newsom am Dienstag in Aussicht. Die Sicherheitsvorkehrungen seien deutlich verschärft worden. Ein 14-jähriges Mädchen, das zu den 80 ausgewählten Fackelträgern zählte, sei aus Angst vor möglichen Ausschreitungen abgesprungen, berichtete der lokale Fernsehsender "Channel 4".
Dutzende Polizisten schirmten am Dienstag das chinesische Konsulat in San Francisco ab, vor dem sich Hunderte Demonstranten, darunter viele Exil-Tibeter, bei einem Marsch durch die Stadt versammelt hatten. Die Stadt wollte für Mittwoch mehrere tausend Sicherheitskräfte mobilisieren. Der Stadtverordnete Chris Daly, lud die Einwohner von San Francisco dazu ein, die Fackel "gewaltlos, aber doch auf höchst kämpferische Weise" zu begrüßen.
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