Proteste gegen Areva-Reaktoren in Indien: Atomkraftgegner erschossen
In der indischen Stadt Jaitapur ist ein Atomkraftgegner von der Polizei erschossen worden. Die Proteste richten sich gegen den Bau des größten Atomkraftwerks der Welt.
BERLIN taz | Mit einem Generalstreik und vereinzelter Gewalt gegen öffentliche Einrichtungen hat am Dienstag die Bevölkerung im westindischen Bezirk Ratnagari (Maharashtra) auf die Tötung eines Anti-AKW-Demonstranten am Vorabend reagiert. Am Montag war dort ein 30-jähriger Fischer von der Polizei erschossen worden, als rund 700 Menschen vor einer Polizeistation gegen den geplanten Bau des AKW Jaitapur demonstrierten. Laut Polizei wurde die lokale Polizeistation angezündet, nachdem Polizisten auf Steinwürfe mit Schlagstöcken, Tränengas und Warnschüssen reagiert hatten. 50 Polizisten und etliche Demonstranten wurden verletzt.
Seit Indiens Regierung vor vier Jahren den Küstenort Jaitapur als AKW-Standort auswählte, kommt es dort immer wieder zu Protesten der lokalen Bevölkerung. Im November waren dabei 700 Menschen festgenommen worden. Zuletzt hatten dort am 9. April 50.000 demonstriert.
In Jaitapur soll das mit 9.900 Megawatt weltgrößte Atomkraftwerk entstehen. Der französische Areva-Konzern will dort sechs Reaktoren bauen. Im Beisein von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy war im Dezember für 7 Milliarden Euro der Bau der ersten zwei Reaktoren vereinbart worden. Er soll noch 2011 beginnen.
Indiens Regierung bleibt auch nach Fukushima hart
Indiens Regierung hat erklärt, dass sie auch nach dem GAU in Fukushima keinen Anlass sieht, vom Ausbau der Atomenergie abzurücken. Indiens Anteil an Atomstrom soll von heute 3 auf 13 Prozent 2030 steigen. Laut Regierung sind die EPR-Reaktoren viel sicherer als die alten Meiler in Fukushima. Kritiker monieren hingegen, dass weltweit noch kein EPR-Reaktor am Netz ist. Zudem sei Jaitapur, 400 Kilometer südlich von Bombay, in einer Erdbebenzone. Fischer fürchten durch die Einleitung von Kühlwasser wie durch mögliche Verstrahlung um ihren Lebensunterhalt. 2.388 Familien müssen dem Projekt weichen. Laut indischen Medien haben bisher nur 120 die gebotene Entschädigung angenommen.
Den Protest unterstützt auch die rechte hindufundamentalistische Shiv-Sena-Partei. Sie rief am Dienstag den Generalstreik aus. Shiv-Sena-Chef Uddhav Thackeray forderte Maharashtras Ministerpräsident Prithviraj Chavan (Kongress-Partei) wegen der Tötung des Demonstranten zum Rücktritt auf.
TV-Sender zeigten am Dienstag eine mit brennenden Reifen gesperrte Hauptverkehrsstraße. Eine Menschenmenge zerstörte Teile des Krankenhauses, in dem der Tote aufgebahrt war. Auch Fahrzeuge wurden angezündet. Für nächsten Samstag ist eine Großdemonstration geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus