Proteste auf Madagaskar: Bis zu 100 Tote bei Unruhen
In Madagaskar eskalieren seit Tagen die Proteste der Opposition gegen den Präsidenten, dem Habgier und Korruption vorgeworfen werden. Jetzt schickt die Regierung das Militär.
BERLIN taz Nach tagelangen Unruhen, Plünderungen und Straßenkämpfen droht Madagaskars Präsident Marc Ravalomanana jetzt mit der Verhaftung seiner Gegner und dem Einsatz des Militärs. Landesweit gilt schon seit Dienstag eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis 4 Uhr.
Die Konfrontation zwischen dem Präsidenten und dem Bürgermeister der Hauptstadt, Andry Rajoelina, war am Montag in Plünderungen und Zerstörungen eskaliert, die am Dienstag auf alle größeren Städte des Landes übergegriffen hatten. In der Hauptstadt wurden die staatlichen und der TV-Sender des Präsidenten zerstört.
Landesweit liegen vor allem die Firmen seines Konglomerats in Schutt und Asche: Ravalomanana besitzt neben der größten Lebensmittelkette in Groß- und Einzelhandel auch ein Medienimperium und einen Baukonzern und ist auf diversen anderen Geschäftsfeldern aktiv.
Am Dienstag war der Präsident von seinem Aufenthalt beim Simbabwe-Gipfel in Südafrika zurückgekehrt - trotz erhöhter Sicherheit aber wurde seine Wagenkolonne von wütenden Demonstranten mit Steinen angegriffen, und Ravalomanana floh aus der Hauptstadt. Am Mittwoch kehrte er zurück, jetzt unterstützt durch Ausgangssperre und massive Militärpräsenz.
Nach umstrittenen Wahlen 2001 hatten sich sowohl Ravalomanana als auch der damalige Präsident Didier Ratsiraka zum Sieger erklärt. Ausgedehnte gewaltsame Unruhen und eine politische Pattsituation waren die Folge - 2002 wurde Ravalomanana per Gerichtsbeschluss zum Präsidenten erklärt. Der unterlegene Ratsiraka lebt seither im Exil in Frankreich. 2006 wurde Ravalomanana erneut für fünf Jahre zum Präsidenten gewählt.
Ravalomananas heutiger Gegenspieler, Andry Rajoelina, wurde im Dezember 2007 Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo. Nachdem sein Fernsehsender Viva-TV ein Interview mit Expräsident Ratsiraka ausgestrahlt hatte, wurde er von der Regierung Mitte Dezember vergangenen Jahres kurzerhand geschlossen. Rajoelina stellte ein Ultimatum zur Wiederzulassung bis zum 13. Januar, doch nichts geschah - Rajoelina rief zum Protest auf. Am 17. Januar demonstrierte er mit 30.000 Anhängern in der Hauptstadt, klagte die Regierung der Korruption an, verurteilte den Kauf eines Präsidentenflugzeugs für 60 Millionen Dollar und die bis jetzt vom zuständigen Minister bestrittene Verpachtung von 1,3 Millionen Hektar Land zum Anbau von Biosprit an die südkoreanische Firma Daewoo.
Der Konflikt eskalierte. Am vergangenen Samstag rief Rajoelina einen Generalstreik aus. Am Montag rief er bei einer Demonstration: "Nirgends auf der Welt hat Militär es je vermocht, die Kraft des Volkes zu brechen. Die Macht gehört dem Volk!" Nach der Demonstration, die von der Regierung verboten worden war, begannen die Ausschreitungen.
Am Mittwoch versammelten sich wiederum 40.000 Anhänger Rajoelinas am - gerade von der Opposition symbolisch umbenannten - Platz der Demokratie. Die Regierung erließ unterdessen Haftbefehle gegen Roland Ratsiraka, den Neffen des Exilpräsidenten, der sich prominent an den Protesten beteiligt hatte - und gegen den General im Ruhestand Dolin Rasolosoa, der eng mit Bürgermeister Rajoelina zusammenarbeitet. Gleichzeitig bat die Regierung den französischen Außenminister Bernard Kouchner um Unterstützung.
In verschiedenen Städten hielten am Mittwoch die Plünderungen, Brände und Schießereien an. Die Armee, die sich bisher zurückgehalten hatte, griff immer mehr durch. Seit Beginn der Unruhen sind laut unterschiedlichen Medienberichten aus der Region zwischen 39 und bis zu 100 Menschen ums Leben gekommen. BBL
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