Protest in Berlin: Alle Anti-Erdogan
Der türkische Premier weilte am Dienstag auf Staatsbesuch in Berlin. Zwei Demonstrationen machten gegen die Stippvisite mobil.
Türkische Protestmusik schallt durch das Regierungsviertel: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Rechte klaut“, skandiert der Redner im Takt über das Megafon. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan weilte gestern in Berlin – und die Proteste gegen den Staatsbesuch fielen lautstark aus.
Während Erdgğan mit Kanzlerin Angela Merkel beim gemeinsamen Mittagessen saß, sammelten sich am späten Vormittag die ersten rund 300 Demonstrierenden am Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof, um sich dann in Richtung Regierungsviertel in Bewegung zu setzen. Die Veranstalter, der „Verein zur Förderung der Ideen Atatürks“ (ADD) sowie der linksnationalistische Bund türkischer Jugendlicher (TGB), hatten mit deutlich mehr ProtestlerInnen gerechnet: auf etwa 2.000 TeilnehmerInnen hoffte TGB-Mitglied Kurtulus Özkökdemir im Vorfeld.
Immer wieder skandierten die Demonstrierenden „Wir sind die Soldaten Atatürks“. Radikale Sprüche wie dieser sind einer der Gründe, warum es gestern mehrere Demonstrationen gegen den türkischen Staatspräsidenten gab. „Vielen sind wir zu radikal“, sagt Özkökdemir. „Wir sind hier genauso gespalten wie die Opposition in der Türkei.“
Am Brandenburger Tor startete um 13 Uhr denn auch bereits die nächste Demonstration. Zu der Protestaktion hatten mehrere alevitische und linke türkische Verbände aufgerufen. Hier herrschte deutlich mehr Zulauf: Rund 1.300 Menschen hatten sich eingefunden, Fahnen der Türkischen Kommunistischen Partei (TKP) werden geschwenkt. Manche recken leere Schuhkartons in die Höhe: in der Affäre um Bestechungsgelder an ranghohe türkische Politiker, die im Januar ans Licht kam und in die auch die Söhne des Premiers verwickelt sein sollen, fanden die Ermittler das Schmiergeld in eben solchen Kartons.
Am Abend sollte Erdogan im Berliner Tempodrom zu mehreren tausend Landsleuten sprechen – der Berlin-Besuch war für den Premier auch Wahlkampf: Im März finden in Erdogans Heimat Kommunalwahlen statt, im August soll ein neuer Staatspräsident gewählt werden. Eine Protestaktion direkt vor dem Tempodrom war hingegen nicht geplant: man wolle „keine Zusammenstöße mit seinen Anhängern provozieren“, erklärte Ali Onur Firat, Vorstandsmitglied der alevitischen Gemeinde.
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