Protest gegen Wissenschaftsrat: Unwillkommene Gäste
Studierende der Uni Bremen protestierten bei einem Treffen des Wissenschaftsrates gegen Kürzungen und "neoliberale" Hochschul-Entwicklung.
Etwa 200 Studierende zogen am Montag mit klimpernden Kaffeetassen zu einer Tagung des Wissenschaftsrates. Der konferierte im Marum, dem als exzellent ausgezeichneten Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Uni Bremen. Derzeit begeht der Rat die Hochschulen in Bremen, um sie auf Einladung von Wissenschaftssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) zu evaluieren. Bei den Studierenden kommt das nicht gut an.
Christoph, einer der Protest-Studenten, verbindet das Gremium, das Bund und Länder in der Hochschul-Entwicklung berät und auch die Exzellenz-Initiative durchführt, mit einer „neoliberalen Politik“, bei der „bestimmte Fächer an der Uni herausgehoben werden, um in der Wissenschaftskonkurrenz zu bestehen“. Dies widerspreche dem Gedanken, „möglichst viele Menschen, möglichst breit zu bilden“. Und er befürchtet, dass es hauptsächlich um Kürzungen gehe.
Anlass für die Einladung des Wissenschaftsrat durch die Senatorin ist die Erstellung eines Wissenschaftsplans für 2020. Der geht über einen Hochschulgesamtplan hinaus, auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sollen stärker verzahnt werden. „Es gab die Idee, im Vorfeld durch hochrangige, qualifizierte Leute eine systematische Analyse der Wissenschaftslandschaft vorzunehmen“, sagt Karla Götz, Sprecherin der Wissenschaftssenatorin. Strukturen, Leistungsfähigkeit und, ja, auch die Finanzierung der Hochschulen sollte überprüft werden. Es gehe nicht um Kürzungen, so Götz, sondern vielmehr um „Synergie-Effekte“, gedacht allerdings „vor knapper werdenden Kassen und Tariferhöhungen“. Auch solle gehört werden, was die Industrie und Wirtschaft für Fachkräfte im Umfeld benötige.
Ein nettes Kaffeekränzchen, zu dem der Wissenschaftsrat Studierende geladen hatte, wollten Christoph und andere Studierende nicht annehmen. Gesprächsbereiter war der rot-grüne Asta, der sich heute mit dem Rat trifft und in einem Papier die Probleme der Studierenden zusammengefasst hat: Raumnot, zu wenig Lehrpersonal, zu viele Kürzungen. Aktuell betroffen ist davon etwa der Studiengang Kunstwissenschaft der Uni Bremen. Dort wurden die Mittel für Lehraufträge im laufenden Semester um die Hälfte, auf 20.000 Euro, gekürzt, es fehle an Material, Atelier-Räume würden aus Raumnot für Lehrveranstaltungen genutzt.
„Exkrement“ heißt daher eine Initiative von KunststudentInnen. Hinter ihrem Transparenten zogen die außerparlamentarischen Linken und auch rot-grüne Asta-VertreterInnen gemeinsam ins Marum. Sie quetschten sich hinter die Tische, und trugen ihre Beschwerden wie Fürbitten vor: Die Abschaffung der Studiengänge Behindertenpädagogik und Sport-Lehramt, „Unterbesetzung im Zentralen Prüfungsamt“, eine „durchgehend schlechte Finanzierung von Forschung und Lehre“.
Diese Inszenierung kam gar nicht schlecht an. Zwar blickte man in der Runde in manch genervtes Gesicht, Uni-Kanzler Gerd-Rüdiger Kück aber schien fast erleichtert darüber, dass mal wieder etwas los war auf dem Campus – und hielt den Protest eher für ein Missverständnis. „Man schätzt das falsch ein, der Wissenschaftsrat ist eine Unterstützung und nicht dazu da, um Kürzungen an der Uni zu bestimmen“, so Kück zur taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin