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Protest gegen Neonazi-MarschRandale in Dortmund

Tausende protestierten am Samstag gegen einen Neonazi-Marsch. Dabei kam es zu Krawallen. Die Polizei spricht von Attacken seitens Linksautonomer. Die Linkspartei kritisiert polizeiliche Übergriffe.

Durften nicht lange sitzenbleiben: Anti-Nazi-Demonstranten in der Dortmunder Nordstadt. Bild: dpa

DORTMUND dpad/dpa | Krawalle haben am Wochenende die friedlichen Proteste gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dortmund überschattet. Rund 1.500 linksgerichtete Gegendemonstranten hätten am Samstag Beamte "massiv angegriffen", teilte die Polizei mit. Der Ablauf der Proteste sorgte jedoch für gegenteilige Einschätzungen von Politikern.

Einsatzkräfte seien mit Pfefferspray attackiert sowie mit Steinen und Böllern beworfen worden, so die Polizei. Die Beamten setzten Schlagstöcke und einen Wasserwerfer ein. Linksautonome attackierten einen Polizeiwagen.

16 Polizisten wurden verletzt, drei von ihnen schwer. Auf Seiten der Demonstranten wurden sieben Verletzte gezählt. Die Polizei kesselte mehrere Hundert Menschen vorübergehend ein, darunter Kinder und Jugendliche. 271 Personen wurden in Gewahrsam genommen.

Polizeipräsident empört über "Gewaltexzesse"

"Die Gewaltexzesse gegen Polizeibeamte in Dortmund haben mit demokratischem Protest gegen Rechtsextremisten überhaupt nichts mehr zu tun", sagte Polizeipräsident Hans Schulze.

Auch die Landesregierung reagierte empört. "Ich bin entsetzt über das hohe Maß an Aggressivität gegen unsere Polizisten", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Polizisten dürften nicht angegriffen und verletzt werden, während sie das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit schützen. Der Minister dankte den Polizeibeamten für ihre "schwierige Arbeit". Zugleich zollte Jäger den friedlichen Demonstranten seinen Respekt.

Das linksautonome Netzwerk "Alerta" sprach hingegen von "erfolgreichen Protesten". Die Neonazis seien mit Straßenblockaden behindert worden. Es sei "unverhältnismäßig" gewesen, dass die Polizei ein ganzes Stadtviertel abgesperrt habe.

Linke rügt Polizei-Übergriffe

Die Linke im NRW-Landtag verlangte eine parlamentarische Aufklärung des Polizeieinsatzes. Linke-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann sprach von "zahlreichen Übergriffen durch die Polizei". So seien Abgeordnete und Journalisten in ihrer Arbeit behindert, Minderjährige unrechtmäßig festgehalten und friedliche Demonstranten verletzt worden, kritisierte der Landtagsabgeordnete.

Die rund 750 Neonazis - angekündigt waren mindestens 1000 aus Deutschland und europäischen Nachbarstaaten - zogen am Nachmittag durch die Dortmunder Nordstadt. Sie ist durch einen hohen Anteil von MigrantInnen geprägt. Der Aufmarsch blieb ohne besondere Vorkommnisse.

Die Neonnazis, aufgerufen durch die gewaltbereite Gruppierung Autonome Nationalisten, kommen seit sieben Jahren in Dortmund am "Internationalen Antikriegstag" zusammen, zu dem sonst eher linke Organisationen aufrufen. Die Neonazis sprechen vom "Nationalen Antikriegstag". Am 1. September 1939 hatte das nationalsozialistische Deutschland Polen angegriffen und den Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Landes-Integrationsminister Guntram Scheider (SPD) nannte es pervers, wenn die Enkel derer, die den Krieg ausgelöst hätten, den Tag zum "Nationalen Antikriegstag" erheben.

Tausende Menschen demonstrierten im ganzen Stadtgebiet gegen den Aufmarsch der Neonazis. Die allermeisten Protestaktionen verliefen laut Polizei friedlich. Insgesamt waren rund 4.000 Polizisten im Einsatz. Darunter befanden sich 1.500 Beamte aus anderen Bundesländern.

Die Grünen lobten die friedlichen Gegendemonstrationen. "Zusammen mit anderen Parteien, Bündnissen und Verbänden ist es uns gelungen, uns den Rechtsextremisten erfolgreich in den Weg zu stellen", sagte die Grünen-Landesvorsitzende Monika Düker.

In Dortmund gibt es seit Jahren eine äußerst gewaltbereite Neonazi-Szene. 2009 hatten dort rechte Schläger eine Mai-Demonstration der Gewerkschaften überfallen.

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19 Kommentare

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  • U
    Ulrike

    Zu den Äußerungen des Polizeipräsident Hans Schulze:

    -die Polizei provozierte allein schon deswegen, weil man die Leute die zu einer angemeldeten Kundgebung gelangen wollten immer von Sperre zu Sperre schickte und es lange dauerte bis man iregendwo durchkam..

    -desweiteren traten die Beamten selber sehr provokant auf so trugen sie Quarzsandhandschuhe und Teleskopschlagstöcke (beide sind in NRW verboten)

    -außerdem saßen vermummte vollgepanzerte Beamte in Bullis einer Seitenstraße,diese ließen sich mehr mit Soldaten als mit Polizisten vergleichen.

  • SH
    Susanne Hoffmann

    Schließe mich der Kritik von Julian an. Von der taz erwarte ich anderes. Wir Abonentinnen zahlen für eine unabhängige Qualitätsberichterstattung. Und erwarten diese auch. Die Aktion des Dortmunder Bündnises ist für Dortmund unglaublich wichtig, eine gut recherchierte Berichterstattung deshalb besonders geboten. Bitte nachbessern!

  • G
    gartenzaun

    Find ich blöd, einfach die PM der Bullen abzukupfern!

    Und dann noch Fotos von Menschen einer Blockade ins Internet stellen, ohne diese unkenntlich zu machen!

    Ein bisschen mehr kritische Berichterstattung wär schon angebracht denk ich.

  • K
    Ökomarxist

    54 und 2 Tage nach dem 1. Weltfriedenstag, demonstrieren die Enkel derer, die den Zweiten Weltkrieg ausgelöst haben für Frieden. Sie stellen damit die Geschichte auf dem Kopf. Am Abend haben am Wilhelmsplatz in Dortmunder Stadtteil Dorstfeld Nazis das Friedensfest gestört. Die Polizei war da zuerst nur mit wenigen Kräften vor Ort und konnten Sie erst nach etwa einer halben Stunde vom Platz verweisen. Die Nazis haben sich also auch nicht dort aufgehalten, wo sie sollten. Die ganze Gesellschaft muss sich Ihnen in den Weg stellen.

  • WW
    @ wolfgang

    Dass es gerade die Polizei ist, aus deren Reihen immer wiederaußerlegale Gewalttaten begangen werden, ist kein Geheimnis - dass dies solange gedeckelt wird, wie es im Sinne dieser Herrschaft ist, auch nicht.

     

    xoxo,

    antidemokratische aktion dortmund nrdstdt

    -> w. banjamin, zur kritik der gewalt:

    http://www.sciacchitano.it/Pensatori%20epistemici/Benjamin/Zur%20Kritik%20der%20Gewalt.pdf

  • M
    Marc

    War ja klar, dass die Linkspartei noch selbst in den dumpfesten linksautonomen Gewaltschläger noch soetwas wie einen Säulenheiligen zu erkennen vermag. Meinetwegen kannste NDP und Linkspartei in einen Sack packen.

  • A
    Andreas

    Die Falschheit in der Pressemitteilung durch die Dortmunder Polizei und ihren Präsidenten Hans Schulze erscheint mir mehr als dreist, geradezu gefährlich, da sie bewusst über Sachverhalte hinwegtäuscht! Möglicherweise aus eigenem Interesse, um den negativen Debatten aus dem Vorfeld des Nazi-Aufmarsches entgegen zu arbeiten. Oder um den nächsten Überfall von Nazis auf Andersdenkende schonmal im Vorfeld zu relativieren, so wie man es von der Dortmunder Polizei kennt.

    Unterhält man sich mit unterschiedlichen Menschen die gestern in der Dortmunder Nordstadt unterwegs waren, so scheint die Polizei mit ihrer Darstellung von "1.500 gewaltbereiten" (!) Gegendemonstranten ein Bild erzeugen zu wollen das sich keineswegs mit der Realiät deckt.

    Dies ist ein Skandal für eine demokratisches Land und bedarf drigend aufgearbeitet zu werden!

  • L
    lalelu

    @Julian:

    Deine Kritik in allen Ehren, der Bericht ist allerdings nicht von einem taz-Redakteur, sondern eben von Nachrichtenagenturen geschrieben. Das wird für den Leser auch so gekennzeichnet: Am Anfang steht "Dortmund dpad/dpa".

    Wäre es ein taz-eigener Text stände dort der Name des Mitarbeiters und "taz".

     

    Grüße

  • DL
    Dankwart Lehr

    Gerne hätte ich hier gelesen:

    "Dortmund zeigt braunem Mob die rote Karte" oder "Bürger buhen Neo-Nazis aus" oder "Deutsche und Ausländer demonstrieren friedlich gegen Nazi-Aufmarsch".

     

    Statt dessen lautet das allgemeine Presse-Echo: "Autonome randalieren bei Neonazi-Demo" oder "Rechter Aufmarsch - linke Gewalt" oder "Gewaltexzesse von Autonomen bei Neonazi-Demo". Die TAZ schreibt: Randale in Dortmund.

     

    Ich frage mich verzweifelt, wie man diese hirnlosen Idioten, die sich selbst als "links" bezeichnen, bloß stoppen kann. Welche friedliche Bürger geht denn noch freiwillig nächstes Jahr auf die Straße, wenn der braune Mob wieder seine Selbstinszenierung zelebriert? Wenn diese pubertierenden schwarzgekleideten linksautonomen Schwachköpfe zuviel Kraft haben, sollen sie in einen Boxring steigen oder sich von mir aus auch die Birne mit Drogen zuhauen.

     

    Solche Schlagzeilen sind unglaublich kontraproduktiv. Wie soll man nach solchen Schlagzeilen noch ältere Menschen, Leute aus kirchlichen Zusammenhängen oder Familien mit Kindern dazu bewegen, gegen Rechts auf die Straße zu gehen?

     

    Das "Die Linkspartei" schon weiss, das die Polizei angefangen hat, möchte ich nicht kommentieren.

  • S
    Silvia
  • L
    Lorenz

    @ Julian:

     

    Vielen Dank für deinen Kommentar, du hast völlig Recht. Heute Nacht auf der Heimfahrt von Dortmund hat es mich furchtbar geärgert, dass der Radiobericht mit "Linksextreme haben mit gewalttätigen Ausschreitungen einen Neonaziaufmarsch in Dortmund begleitet..." begonnen hat. Ich habe gehofft, dass diese unnötige Gewalt einer kleinen Minderheit wenigstens in der taz nicht vor dem friedlichen Protest eines riesigen bunt-schwarzen Bündnisses gestellt wird. Doch leider unterscheidet sich dieser taz-Artikel in keinster Weise vom Radiobericht.

  • V
    vic

    In Dortmund war ich nicht dabei. Aber von anderen Demonstrationen weiß ich; wenn vermummte Polizisten prügeln, Wasserwerfer schießen, und die Luft voll Tränengas ist, wird das von Rechts-Staat und Medien als "linksautonome Randale" verkauft.

    Immer.

  • U
    Urgestein

    Warum wohl ist Dortmund eine Nazi-Hochburg?

     

    Weil die sogenannten "Ordnungshüter" - ähnlich wie in Dresden oder Stuttgart - von Polizei bis Staatsanwaltschaft genau wissen, wo sie stehen. Auch wenn das mit Verfassung und Rechtsstaatlichkeit nicht mehr viel gemein hat.

  • M
    Mac-Lennox

    Herr Weinmann,

     

    haben Sie überhaupt den Text gelesen? Oder sind Sie so hasserfüllt, dass Sie für Argumente nicht mehr zugänglich sind?

     

    Der Landtagsabgeordnete der Linkspartei bittet um Aufklärung und verurteilte noch niemanden.

     

    PS: In ihrem Hass auf die Linkspartei haben Sie mehr mit den Neonazis gemein als Ihnen vielleicht lieb ist.

  • T
    Thomas

    @ Wolfgang,

     

    ich würde dich ganz einfach bitten am 13.Februar 2012 nach Dresden zu kommen, betrachte das als eine Einladung.

  • A
    Annikarla

    Ich kann hier Julian nur recht geben. Diese Zusammengestückel aus der Agentur reicht einfach nicht aus! Die Behauptung von 1.500 Gegendemonstranten, die die Beamten "massiv angriffen", ist quatsch. Womit die Angriffe von Autonomen auf die Polizei nicht verharmlost oder gerechtfertigt werden sollen, sondern lediglich in Art und Umfang in einen Gesamtrahmen eingeordnet werden!

    Die engagierten Diskussionen in der Stadt im Vorfeld der Demonstrationen mit der Frage, ob Blockaden zulässig sind oder nicht, hat in Dortmund viel in Bewegung gesetzt. Dass ein Konzept von gewaltlosen aber entschlossenen Blockaden bei der massiven Komplettabriegelung eines halben Stadtteils mit tausenden Polizeibeamten eine Gratwanderung ist, sollte jeder kapieren. Dass es unterschiedliche Einschätzung auf Seiten von Polizei und Demonstranten gibt, was dabei erlaubt oder notwendig ist, ebenso. Das das Zerstören eines Polzeibullis nicht sachdienlich ist, dito.

    Gerade deshalb:

    Die Entwicklung in Dortmund hat eine differenzierte Betrachtung verdient. Gerade durch die Taz.

  • D
    Dortmunder

    Leider wird in der gesamten Berichterstattung verschwiegen, dass die Nazis das ganze Jahr über die Stadtbewohner mit feigen Angriffen terrorisieren und insbesondere in den zwei Wochen vor ihrem Aufmarsch jeden Tag mindestens einen Anschlag verübt haben.

     

    Bei ihrem Aufmarsch bleiben sie dann vermeintlich friedlich und nehmen ja nur ihre demokratischen Grundrechte wahr. Ein Trauerspiel, dass die Presse auf diese zugegebenermassen geschickt Strategie herein fällt.

     

    Zehntausende protestieren friedlich und ein paar Idioten sorgen dann für die "linksautonome Gewalttäter verletzen Polizisten" Schlagzeile, die bereitwillig aufgegriffen wird.

     

    Traurig.

     

     

    An diejenigen, die den Bullenwagen angegriffen haben:

     

    Rafft ihr das nicht, dass ihr damit den Nazis in die Hände spielt und dass ihr unseren ganzen Protest, die Mühe und die Arbeit zunichte macht?

  • J
    Julian

    Liebe taz,

     

    es ist ein Armutszeugnis für eine in der Selbstdarstellung "alternative" Tageszeitung die nicht-verantwortbaren Übregriffe einer Minderheit von Demonstranten auf die Polizei zur Schlagzeile für die gesamte Nazi-Demo und deren Gegenveranstaltungen macht.

     

    Wenn sich ein taz-Reporter die Mühe gemacht hätte, sich selbst ein Bild von der Lage zu machen und nicht nur Meldungen der Nachrichtenagenturen zusammenzustellen, dann wäre ein anderes Bild von den Gegenprotesten herausgekommen. Nämlich dass auch ein großteil der schwarzgekleideten Demonstranten sich friedlich verhalten hat, zusammen mit den bürgerlichen Bündnissen.

     

    Aber Gewaltausbrüche von wenigen scheinen für die taz inzwischen auch interessanter zu sein als friedlicher Protest oder ein kompromissloser Poliezeieinsatz.

     

    Schade.

  • WW
    Wolfgang Weinmann

    Nazis, Linksautonome, Linkspartei .... die Antidemokraten dieses Staates auf einem Platz vereint. Wobei ich noch eines hinzufügen muß: Bei den Nazis und Linksautonimen weiß man woran man ist. Am übelsten von diesem Trio ist jedoch die Linkspartei, die ganz subtil diesen Staat vernichten will und besonders gerne auf diesen einschlägt. So wie hier, wo die Polizei von der selbstherrlichen Linkspartei wieder den schwarzen Peter zugeschoben bekam.