Programmreform der ARD: Ja, wo laufen sie denn?
Die ARD schiebt Dokus ab 2011 auf einen späteren Sendeplatz und verspricht Kompensation in der Sommerpause. Die Dokumentarfilmer sind empört.
Programmdirektor Volker Herres war in seinem Element: Was das Schicksal von Dokumentationen in der ARD angehe, hätte sich die Branche ja Sorgen gemacht. "Manchen wurden ja auch Sorgen gemacht", sagte Herres: "Die wurden als Karren vor ein Pferd gespannt – aber der Hafer wurde nicht gefressen, auch nicht von uns."
Womit der ARD-Programmdirektor meint: Das Wehklagen über den Wegfall des montäglichen Doku-Platzes im Ersten zur Hauptsendezeit um 21 Uhr ist übertrieben - und außerdem gibt's ja montags gleich nach der "Tagesschau" den Tier-, pardon: den Naturfilm, also auch Doku. Anstelle des vom Publikum in der Tat nicht angenommenen Termins abends um neun ist ab 2011 für Dokus dann um 22.45 Uhr nach den "Tagesthemen" Platz – "da kann man getrost senden und kommt auch aus der Hölle des Wettbewerbs heraus", so Herres. Der 21-Uhr-Termin weicht Frank Plasbergs "Hart aber fair", das ab Herbst 2011 dann montags bis zu den "Tagesthemen" läuft; "Beckmann" geht auf den Donnerstag, und die vom ARD-Heimkehrer Günther Jauch vertriebene "Anne Will" wandert auf den Mittwoch - beide senden wie auch Sandra Maischberger am Dienstag nach den "Tagesthemen".
Außerdem bleibt es beim 90-minütigen Doku-Sendeplatz am Dienstag in der Sommerpause von Sandra Maischberger – was 2011 genau zwölf Mal der Fall sein wird. Auch die Ferien der anderen Wochentalk-Formate sollen für Dokumentarisches - vor allem Serien wie "Deutsche Künstler" – genutzt und dafür die Sommerpausen entzerrt werden. Ob das dann insgesamt unter dem Strich mehr oder weniger Doku in der ARD bedeute, sei noch nicht völlig klar, sagt der Programmdirektor – schließlich mache er nicht die Urlaubspläne von Plasberg, Will & Co. "Anne Will" wird übrigens trotz des neuen Sendeplatzes ihrem Format grundsätzlich treu bleiben: Er erwarte hier nur "Modifikationen", so Herres.
Bei den in der AG Dok zusammengeschlossenen Dokumentarfilmern kommen solche Pläne gar nicht gut an: Das Ganze sei ein "Meisterstück im Nebelwerfen", sagt AG-Dok-Vorstand Thomas Frickel: "Die Streichung eines kompletten dokumentarischen Sendeplatzes wird dadurch verbrämt, dass ein Mittwochstermin auf den Montag rückt - offenbar hofft man, dass der systematische Ausstieg aus der filmischen Darstellung der Wirklichkeit dadurch weniger auffällt." Das verhöhne "all jene, die von der ARD ein erkennbares, ernsthaftes und dauerhaftes Engagement für den Dokumentarfilm fordern", dokumentarisches Fernsehen sei eben kein "Lückenbüßer für die Saure-Gurken-Zeit", sondern "Kernbereich des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags". Dokus dann "aus der Versenkung zu holen, wenn das Publikum gerade im Biergarten sitzt und die Talkshows aus gutem Grund Pause machen, und das auch noch als Aufwertung zu verkaufen", offenbare "den Zynismus des ARD-Programmchefs", so die AG Dok.
Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust, Intendant des SWR, betonte gestern nach der ARD-Intendantentagung, gerade mit den ab 2011 beinahe täglichen Polittalks komme die ARD "genau ihrem Auftrag nach Meinungsbildung und Informationsvermittlung" nach. Die Dokfilmer überzeugt das nicht: "Natürlich wollen wir, dass sich die Leute für die Themen interessieren - aber einen Talk nach dem anderen abzusenden, macht doch keinen Sinn", sagt AG-Dok-Mitglied Arne Birkenstock ("7000 Kilometer Heimweh").
Den Streit darf ab 2011 eine andere führen: Boudgousts zweijährige Amtszeit als ARD-Vorsitzender endet turnusgemäß am 31. Dezember, es übernimmt WDR-Intendantin Monika Piel. "Es waren keine zwei Hundejahre, es hat auch schöne Momente gegeben", sagt der Mann aus Stuttgart zum Abschied.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn