Prognosen zur Europawahl: Vergifteter Sieg für Steinmeier-SPD
Obwohl Umfragen ihnen kleine Stimm-Zuwächse prognostizieren, wird es SPD und Linkspartei am Sonntag Abend schwer fallen, sich die Ergebnisse schönzureden.
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BERLIN taz | Für die SPD wird die Europawahl eine historische Wende. Denn zum ersten Mal wird die SPD bei den Europawahlen wohl nicht verlieren. Die Partei hat seit 1979, als sie 40,8 Prozent erzielte, regelmäßig alle fünf Jahre Stimmen eingebüßt. 2004 wählten - auch wegen der Agenda 2010 - nur noch 21,5 Prozent sozialdemokratisch. Diesmal kann die SPD mit etwas mehr rechnen. Auch wenn sie nur 25 Prozent bekommt und der Abstand zur Union über 10 Prozent liegt, wird die SPD-Spitze das Ergebnis als Wende zum Besseren feiern. So wird das katastrophale Ergebnis der Schröder-SPD 2004 paradoxerweise zum Signal für die Aufholjagd des Architekten der Agenda 2010: Frank-Walter Steinmeier.
Absehbar ist, dass die Wahlbeteiligung geringer sein wird als 2004, als 43,0 Prozent der Bürger abstimmten. Damals hatten vor der Wahl 66 Prozent bekundet "ganz sicher" wählen zu gehen, diesmal sind es, laut Infratest dimap, nur 57 Prozent. Die niedrige Wahlbeteiligung müsste eigentlich den kleinen Parteien, FDP, Grünen und Linkspartei, zugutekommen. Doch die letzten Umfragen zeigen, dass dies nur in bescheidenem Maße zu erwarten ist. Die Grünen können, wie 2004, mit 12 Prozent rechnen, die FDP mit 9 (3 Prozentpunkte mehr als 2004), die Linkspartei mit 7 (PDS 2004: 6,1).
Herb wäre dies für die Linkspartei, die vor kurzem noch sicher mit mindestens 10 Prozent rechnete. Doch das Selbstbild als aufstrebende politische Kraft, die den Regierenden die Themen diktiert, hat Schrammen bekommen. Die Parteilinke ließ bei der Kandiatenkür für das EU-Parlament demonstrativ die Pragmatiker Sylvia-Yvonne Kaufmann und Andre Brie durchfallen. Drei semiprominente Realos haben die Partei aus Protest gegen Lafontaine verlassen.
Am Sonntag sind in drei West- und vier Ost-Bundesländern zudem Kommunalwahlen. Das wird der Linkspartei, die in Letzteren stark ist, auch für die Europawahl nutzen. Falls Bisky & Co bei sinkender Wahlbeteiligung nur bei 7 Prozent landen, werden in der Parteizentrale die Alarmsirenen schrillen.
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