Produkte mit Nano-Partikeln: Fehlende Verbaucherinformationen
Die Nano-Kommission präsentiert einen Zwischenstand. Die Industrie zeigt sich dabei begeistert, Verbraucher- und Umweltschützer sind besorgt.
BERLIN taz | Socken sind ein gutes Beispiel: Seit einigen Jahren werben Firmen damit, dass sie Textilien mit Nanosilber veredeln können. So werden schweißzersetzende Keime abgetötet, die Strümpfe hören auf zu stinken. Auch in anderen Bereichen soll Nanotechnologie den Markt revolutionieren, die Industrie ist begeistert, Natur- und Verbraucherschutzverbände sind dagegen besorgt. Sie befürchten Folgen für die Gesundheit und die Umwelt.
Die Bundesregierung hat deshalb vor knapp vier Jahren die NanoKommission ins Leben gerufen. Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft beraten dort mit Umwelt- und Verbraucherverbänden über die Risiken und Chancen der Nanotechnologie. Im Jahr 2008 hat die Kommission erste Ergebnisse präsentiert, unter anderem einen Katalog mit Prinzipien für den verantwortungsvollen Umgang mit Nanomaterialien. Darunter: Transparenz, Verantwortung und die Bereitschaft zum Dialog.
Ein Jahr nach der Veröffentlichung hat sich aber nur wenig getan, beklagten Verbraucherschützer und Umweltorganisationen vergangene Woche auf dem Nanodialogforum in Berlin. "Kein Unternehmen hat bis jetzt das Prinzipienpapier unterzeichnet oder sich öffentlich dazu bekannt", sagte Wilfried Kühling vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), selbst Mitglied in der Themengruppe vier, die sich für die Nanokommission mit der Umsetzung der Prinzipien befasst. So sei völlig intransparent, ob und wie Unternehmen mit Nanomaterialien umgehen. Bislang konnte die Gruppe nur drei Firmen mit Leitfäden ausmachen, die allerdings nur für den internen Gebrauch bestimmt waren. "Eine externe Überprüfung der Umsetzung ist so überhaupt nicht möglich", sagte Kühling. Zudem stammen die Leitfäden teilweise aus der Zeit vor der Erstellung der Prinzipien der Nanokommission, oft sind sie auf mehrere Dokumente verteilt und außerdem werden darin einige Punkte nicht berücksichtigt.
Die Industrie dagegen sieht in dem Prinzipienpapier nur eine Handlungsempfehlung, keine verbindlichen Regulierungen. "Sie sind kein Gesetz und daher kein Ersatz für eine Regulierung", sagte Carolin Kranz von der BASF, die ebenfalls in der Themengruppe vier sitzt.
Für den Umgang mit chemischen Materialien gibt es solche Bestimmungen mit der EU-weiten Chemikalienverordnung REACH schon seit einigen Jahren. Verbraucher- und Umweltschützern geht diese jedoch nicht weit genug. "Weil Materialien wie zum Beispiel Silber ohnehin zugelassen sind, müssen sie im Nanobereich nicht noch einmal überprüft werden", sagt Jurek Vengels vom Bund. "Gold zum Beispiel ändert im Nanobereich aber mehrmals seine Farbe, und Ähnliches gilt für die Giftigkeit einiger Nanopartikel." Ein Stoff kann also je nach Größe vollkommen harmlos oder gesundheitsschädlich sein.
Wenn die winzigen Teilchen über die Lunge oder über verletzte Haut in den Organismus gelangen, könnte das Folgen für die Gesundheit haben. Ähnliches gilt auch für die Umwelt, meint Vengels, auch wenn die Folgen hier noch schwer abschätzbar sind. "Die Nanoteilchen sind zwar in einigen Produkten fest gebunden, aber zum Beispiel durch Sprays könnten sie freigesetzt werden. Oder sie werden aus Textilien herausgewaschen." Socken wären hierfür dann wieder ein Beispiel.
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