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Probelauf in Regensburg

Der Sachbearbeiter Baldauf im Rechtsdezernat der Stadt Regensburg ist ein Mann, der den Dingen juristisch auf den Grund geht. Weil nicht sein darf, was verboten werden könnte, greift er, im Interesse des Gemeinschaftsfriedens, im Notfall dem bundesdeutschen Gesetzgeber auch schon mal vor. Das schlimmste, was dem von ihm ausgearbeiteten Verbot der Bundeskonferenz der Anti–AKW– Bewegung passieren konnte, war, daß die Verwaltungsgerichte einer einstweiligen Verfügung dagegen stattgeben. Das beste, und das ist prompt geschehen, daß sie die Rechtsauffassung der Stadt Regensburg übernehmen. Die schlechten Karten haben jetzt die Anti–AKW–Initiativen: Sollen sie, nach den in zwei Instanzen im Eilverfahren ausgesprochenen Verboten ihrer Bundeskonferenz, jetzt ein Hauptverfahren „zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit“ (BI–Anwalt Schwinghammer) anstrengen oder nur auf eine massive Mobilisierung zu der am 17./18. Januar 1987 geplanten Wiederholung setzen? Ihre auch langfristige Brisanz gewinnen Verbotsverfügung und die bestätigenden Urteile in Zusammenhang mit dem „Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus“. Der dort unternommene Versuch, breite Teile der Bewegung zu kriminalisieren ( s. auch Hintergrund S. 10) und mit Verboten zu belegen wird flankiert von dem Vorstoß der Stadt Regensburg, die bereits die Kommunikation politischer Aktionsbündnisse untereinander verhindern will. Das Kernstück des Verbots ist die Annahme der Stadt Regensburg, daß im Verlauf der Bundeskonferenz einzelne Teilnehmer „Auffassungen, die die Gewaltanwendung bejahen, zur Geltung bringen“ werden. „Die Stadt hält es durchaus für möglich, daß Äußerungen strafbaren Inhalts durch einzelne Veranstaltungsteilnehmer zu widersprechenden Erwiderungen führen würden. Dies genügt aber gerade nicht, um die Gefahr der Duldung solcher Äußerungen auszuräumen. Vielmehr geht es darum, daß solche Äußerungen gar nicht erst abgegeben werden dürfen.“ Daß damit ein breiterer Diskussionszusammenhang innerhalb von Bewegungen zerschlagen werden soll, liegt auf der Hand. Daß es dabei noch nicht einmal nur die Auseinandersetzung über militante Aktionen ist, die aus dem Rahmen des legal Möglichen gedrängt werden soll, sondern bereits öffentliche Sympathieäußerungen für symbolische Kundgebungen unmöglich gemacht werden sollen, ergibt sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg. Aus der Tatsache, daß im Kongreßreader unkommentiert ein Papier der „Aktionsgruppe Steinburg“ wiedergegeben war, schließen die Richter in ihrer Urteilsbegründung, daß „derartige Äußerungen“ auch im Kongreßverlauf eine Rolle spielen werden. Die in dem Papier vorgestellte Aktion, nach Meinung des Verwaltungsgerichts eine „Störung öffentlicher Betriebe“, ist aber nichts anderes als daß „einige Personen begonnen haben, einzelne Schrauben von Strommasten zu lösen, und sich zu ihrer Tat vor der Presse zu bekennen. Durch diese Veröffentlichung üben wir starken Druck auf die Atommächtigen aus.“ Die Rechtsabteilung der Stadt Regensburg hat sich die Mühe gemacht, weitere mögliche Diskussionsthemen ausfindig zu machen, die ihrer Meinung nach öffentlich nicht erörtert werden dürfen. „Aufgrund mehrer Äußerungen ist auch mit dem Aufruf zu Blockaden zu rechnen, die - auch nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (die taz berichtete) - den Tatbestand der Nötigung erfüllen, so daß entsprechende Aufforderungen den Tatbestand des Paragraphen 111 StGB erfüllen“. Weder die Zusicherung der veranstaltenden Bürgerinitiative BIWAK, daß sie selbst nicht für strafbare Handlungen eintrete, noch das Eingeständnis, daß man Aufrufen zur Gewalt entgegentreten werde, reichte der Stadt Regensburg und dem Veraltungsgericht aus. Da öffentlich zu der Konferenz eingeladen worden sei, keine genaue Teilnehmerliste existiere und im Reader der Eindruck erweckt werde, als sei man bereit, sich mit derartigen Aktionsformen zu beschäftigen, müsse davon ausgegangen werden, daß die Veranstalter „die Konferenz organisatorisch nicht im Griff haben“. Daß diese Rechtsauffassung, setzte sie sich durch, das Ende von überregional koordinierbaren Aktionen und Konferenzen bedeuten würde und damit auch die derzeitige Struktur von Bewegungen gefährdet wäre, ist offensichtlich. Deshalb werden die Anti– Atom–Bürgerinitiativen alles daran setzen, am 17./18. Januar 1987 die Bundeskonferenz tatsächlich stattfinden zu lassen und damit klarzustellen, daß sie diese Rechtsgrundlage nicht anerkennen. Die Redaktion der „radi–aktiv“ und eine Anti–Atom–Bürgerinitiative haben sich jetzt bereiterklärt, die Konferenz vorzubereiten, damit sie in Nürnberg stattfinden kann. Wichtig wird sein, ob der geplante Prominenten–Unterstützerkreis, der wenigstens ein Mindestmaß an öffentlichem Schutz gewährleisten soll, zustandekommt.

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