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Privatschul-Kürzung verfassungswidrig

■ Gutachter Prof. Jach und Anwalt Volker Kröning: Anspruch auf Förderung für alle Kinder

Wenn Niedersachsen für seine „Landeskinder“, die in Bremen auf eine private Schule gehen, nicht mehr zahlen will, und der Bremer Bildungssenator mit Hinweis auf die „Landeskinderklausel“ in Bremens Privatschulgesetz erklärt, damit habe er nichts zu tun, dann widerspricht das dem grundgesetzlich verbrieften Recht auf Bildung. Das hat Prof. Frank-Rüdiger Jach, Mitarbeiter des Zentrums für europäische Rechtspolitik (Zerp) an der Uni Bremen, in einem Gutachten festgestellt.

Die „Landeskinderklausel“ im Schulgesetz sei insgesamt verfassungswidrig, meint Jach. Und auch die Tatsache, daß Niedersachsen die finanzielle Unterstützung für die SchülerInnen, die auf eine private Schule im Lande Bremen gehen, ohne Übergangsregelung und ohne Bremer Ersatzregelung eingestellt hat, widerspreche einschlägigen Rechtsgrundsätzen. Zudem verletzte es auch den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, so Prof. Jach, wenn Niedersachsen für Schüler, die auf staatliche Bremer Schulen gehen, Ausgleichszahlungen vornimmt, für private Schulen aber nicht. Für Schüler, für die in den letzten Jahren gezahlt wurde, verletze es auch den „Vertrauensschutz“, wenn diese Förderung jetzt Knall auf Fall gestrichen werden soll.

Der juristische Sachverhalt ist einfach: Jeder hat das Recht, eine Schule in freier Trägerschaft zu wählen. „Das individuelle Kriterium des Hauptwohnsitzes eines Schülers“, so der Jurist, kann dieses Racht nicht einschränken. Tatsächlich ist es so, daß aufgrund der Nähe Niedersachsens hunderte von niedersächsischen Schülern nach Bremen pendeln. Für die katholischen Pfarreien in Bremerhaven ist die tätsächliche Lage noch absurder: die (niedersächsische) Stadt Langen gehört zur Pfarrei Leherheide. In den katholischen Schulen Bremerhavens sind also auch „niedersächsische“ Kinder, die zu Bremerhavener Pfarrgemeinden gehören.

Daß die ablehnende Haltung des Bremer Bildungssenators gegenüber den Privatschulen „rechtlich und politisch nicht durchzuhalten“ sei, ist auch die Rechtsauffassung des früheren Bremer Finanzsenators Volker Kröning, der als Rechtsanwalt den Schulträger „Verein Waldorfschule“ vertritt. „Aus verfassungsrechtlichen Gründen“, so Kröning, dürfe Bremen es nicht zulassen, daß die Privatschulen für die niedersächsischen Kinder keine staatlichen Zuschüsse bekommen. Und politisch könne es Bremen sich „nicht leisten, seine Brücken hochzuklappen“.

Für den Europa-Juristen Jach ist der Bremer Provinzialismus auch aus übergeordneten Gründen nicht nachvollziehbar: Wenn zum Beispiel, sagt er, eine Privatschule in Emden holländische Kinder beschule und dafür keine Zuschüsse bekommen, „dann würde das sofort gegen EG-Recht verstoßen“. Was innerhalb der EG selbstverständlich sei, müsse auch zwischen deutschen Bundesländern gelten. Wie die beiden betroffenen Länder Bremen und Niedersachsen die Finanzierung regelten, sei deren Sache – sie müßten „gesamtschuldnerisch“ dafür einstehen.

Vom Bildungsressort war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. K.W.

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