: Private Wanzen vermehren sich
Laut Gewerkschaft der Polizei nehmen Konzerne der Polizei immer häufiger die Arbeit ab und beschäftigen ihre eigenen Ermittler. Dabei findet viel Abhörtechnik Verwendung
Eher nebenbei erwähnte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, bei einer Tagung zum Thema Kriminalitätsbekämpfung am Donnerstag ein Phänomen, das aufhorchen lässt: Viele Großkonzerne beschäftigten eigene Ermittlungsteams, um Betrug, Korruption, Industriespionage und ähnliche Delikte intern aufzuklären und zu unterbinden.
„Das sind zum Teil hoch qualifizierte Leute“, so Freiberg, „und nicht selten ehemalige Kollegen.“ In der Wirtschaft bestehe vielfach gar kein Interesse an einer Strafverfolgung der Täter. Oft erfahre die Polizei von den Delikten erst, wenn sich die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den staatlichen Sicherheitsbehörden ergebe. „Meist wollen sie nur ihre Kohle zurückhaben und den Betreffenden loswerden – und das möglichst noch ohne eine Abfindung.“
Der Trend zum privaten Ermittler werde zunehmen, prophezeite Freiberg. Aus der Branche wisse er, dass sich sehr viel Überwachungstechnik in privater Hand befinde: Wanzen, Richtmikrofone, Überwachungsanlagen für Telefone oder Computer. In Deutschland darf das meiste weder verkauft noch von privat eingesetzt werden. Doch im Ausland lassen sich die Geräte beschaffen. Wer sie benutzt, benötigt keine Genehmigung, solange er sich nicht erwischen lässt.
Überraschend auch eine Aussage der Vorsitzenden der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, Vera Junker: Rund 80 Prozent der polizeilichen Ermittlungsverfahren werden demnach von der Berliner Staatsanwaltschaft wieder eingestellt. Gut die Hälfte davon komme bereits mit einer entsprechenden polizeilichen Empfehlung auf den Tisch, weil Tatverdächtige nicht zu ermitteln waren, Beweise nicht ausreichten oder es keine Zeugen gebe. „Bei den übrigen Verfahren beurteilen wir das rechtlich anders als die Polizei.“
Ausdrücklich nahm Junker die KriminalbeamtInnen in Schutz. Nicht an der Qualität der polizeilichen Ermittlungsarbeit liege die hohe Einstellungsquote, sondern an der permanenten Überlastung durch Bagatelldelikte, bei denen kein öffentliches Strafverfolgungsinteresse vorliege, wie Benzindiebstahl oder Kellereinbrüche. Angesichts der Flut von Verfahren, bei der die Mentalität bestehe, sich fehlende Beweise „von der Polizei organisieren zu lassen“, fehle oft die Zeit, größere Wirtschaftsstraftaten mit erheblichem Ermittlungsaufwand zu bearbeiten.
Den jährlichen Schaden durch Wirtschaftskriminalität schätzt das Max-Planck-Institut auf rund 25 Milliarden Euro. Dennoch machen solche Verfahren lediglich 2 Prozent aller Prozesse aus. Einigkeit bestand denn auch darin, dass die Polizei von Bagatelldelikten entlastet werden müsse. „Sonst kommt es irgendwann zu einem Stillstand der Rechtspflege“, warnte Neubeck und machte einige Vorschläge: Vorkasse beim Tanken oder Unfall-Datenschreiber in allen Autos. „Dann könnten die Versicherungen das untereinander regeln.“
OTTO DIEDERICHS