Private Gastgeber: Maracuja-Törtchen im edlen Salon
Wer ein privates Dinner bei Parisern bucht, kann gut essen und sieht obendrein wunderbare Wohnungen.
Ob er geahnt hat, dass Tarte Tatin mein Lieblingskuchen ist? Auf jeden Fall ist das Dessert mit den köstlichen, karamellisierten Äpfeln das I-Tüpfelchen des Abends. Der sich überhaupt aufs Angenehmste gestaltet. Während wir genüsslich speisen und Champagner trinken - den Rotwein öffnet der Gastgeber erst zu späterer Stunde - sprechen wir über Essen, Literatur, Kino? und natürlich auch Woody Allens "Midnight in Paris", in dem sich die Pariser so gar nicht wiedererkennen können. Es ist, als würden wir uns schon lange kennen und regelmäßig zum Dinner treffen. Dabei haben wir uns gerade erst vor zwei oder drei Stunden kennengelernt. Dank einer Agentur, die Abendessen bei Privatleuten vermittelt.
Sie heißt " Voulez-vous dîner?" Wollen Sie zu Abend essen? Ja, ich will. Und melde mich auf der Internetseite der Agentur zum Dinner an. So lande ich bei Marc, einem seit langem in Paris beheimateten Engländer im 18. Arrondissement. Wie sich herausstellt, hat er in seinem ersten Leben Karriere als Tänzer gemacht, später auf der Karibikinsel Saint-Barthélemy als Koch gearbeitet und - davon kann ich mich überzeugen - sein Handwerk gelernt. Per Mail wird mir seine Adresse mitgeteilt, samt dem geheimen Zahlencode, ohne den man in Paris in kein Haus kommt und noch nicht mal bis zur Klingel vordringt. Marc fragt mich seinerseits noch nach Allergien, kulinarischen Vorlieben und Unverträglichkeiten, bevor ich mich einige Tage später auf den Weg mache.
Samstagabend in Montmartre. Die Straßen sind spärlich beleuchtet und sehen dafür umso romantischer aus. Es fällt leichter Nieselregen, abseits der Touristenströme, die die Gegend um Sacré Coeur und die Place du Tertre bevölkern, hat das Viertel tatsächlich etwas von einem Dorf. Hier ein kleines Café, dort eine Weinhandlung, deren Besitzerin Nachfahrin des Verfassers vom "Phantom der Oper" ist und in dritter Generation gute, bezahlbare Weine offeriert. Und irgendwo dort wohnt Marc. Er empfängt mich mit weißer Schürze und einem Glas Champagner in der Hand und führt mich direkt in den Salon. Schöner Parkettboden, ein alter Kamin mit großem Spiegel darüber, daneben ein Klavier mit Noten, als hätte gerade jemand ein Nocturne von Chopin gespielt. Rundum zieren volle Bücherregale die Wände - es wirkt alles sehr wohnlich, aber keinesfalls arrangiert.
VoulezVous Dîner, www.voulezvousdiner.com, organisiert Abendessen und gemeinsame Kochevents bei Franzosen. Ein Abendessen mit drei Gängen und Getränken kostet 65, für Kinder 40 Euro. Rechtzeitige Anmeldung ist unbedingt zu empfehlen.
Meeting the French, www.meetingthefrench.com, vermittelt nicht nur Essen bei Franzosen, Kochkurse, Marktbesuche und kulinarische Stadtrundgänge, sondern auch Unterkünfte in Privatzimmern oder Appartements. Ein Abendessen kostet je nach Umfang des Menüs ab 60 Euro, ein Zimmer ab 75 Euro pro Nacht.
Weitere Informationen beim Office du Tourisme de Paris www.parisinfo.com oder der französischen Zentrale für Fremdenverkehr in Frankfurt am Main www.franceguide.com.
Arrangiert ist nur die Tafel, die mittendrin steht und mit wunderbarer bestickter Tischwäsche eingedeckt ist. Was ich nicht wusste, ist, dass Marc auch noch zwei Freunde aus dem Viertel dazu gebeten hat. Julien, einen Franzosen, und Andrew, einen Engländer, der, wie er gleich in die Unterhaltung einstreut, gute Kontakte zur britischen Königsfamilie und diversen Promis pflegt, sogar Lady Di bei ihren Parisbesuchen begleitet haben will. In jedem Fall war es eine gute Idee von Marc, die beiden einzuladen, während seine Gemahlin in New York weilt. So kommt die Konversation nicht ins Stocken, als er noch einmal Hand an die Vorspeise anlegen muss, bevor er sie feierlich auftischt.
Es gibt geräucherten Lachs mit einem pochierten Ei, jungem Salat und Kirschtomaten - alles mit einer guten Vinaigrette angemacht. Das ist schon mal ein guter Einstieg. Aber nichts gegen den raffinierten Hauptgang, der bald darauf folgt: eine auf der Haut gebratene Meerbarbe auf mit Oliven und Zitronen gewürztem Kartoffelstampf, der wiederum in einer Art Spinatsuppe schwimmt. Wer hätte gedacht, dass ich ausgerechnet in Paris von einem Engländer so gut bekocht und dazu noch gut unterhalten würde?
Ohne Frage ist so ein Abendessen amüsanter, als allein in irgendeinem Bistro zu hocken und anderen beim Dinieren zuzusehen. Natürlich ist es nicht ganz umsonst. 65 Euro kostet der Abend. Und man kann nur hoffen, dass Qualität und Unterhaltungswert immer auf der Höhe von Marcs Standard sind. Alternative Reiseideen sind in Mode, Agenturen à la "Voulez-vous dîner" schießen wie Pilze aus dem Boden. Da mag manch einer ein einträgliches Geschäft wittern, ohne den Ansprüchen gerecht werden zu können.
Alternativ zu "Voulez-vous dîner?" bietet beispielsweise die Agentur "Meeting the French" ihre Dienste an, gegründet von einer Französin, die die Idee von einem längeren USA-Aufenthalt mit nach Paris gebracht hat. Der Name ist Programm. Hier trifft man Franzosen unter ganz unterschiedlichen Umständen, aber eben auch beim gemeinsamen Essen. Wobei die ehrenamtlichen Gastgeber hier nicht selber kochen und auch keine Aufwandsentschädigung bekommen. Stattdessen liefert ein Traiteur - wie Caterer in Paris genannt werden - das fertige Menü, das ganz nach Wunsch aus zwei, drei oder vier Gängen mit oder ohne Wein besteht und ab 60 Euro kostet.
Auf diese Weise gelange ich zu Anne-Florence. Sie wohnt im vornehmen 16. Arrondissement, was gegenüber Montmartre ein totaler Szenenwechsel ist. Rund um breite Avenuen haben sich viele Botschaften angesiedelt, dazwischen edle Boutiquen, Patisserien und Schokoladengeschäfte, deren Produkte wie kleine Kunstwerke aussehen. Aber noch beeindruckender ist die Wohnung von Anne-Florence: Eine ganze Flucht von Räumen tut sich auf, als ich das Appartement betrete. Gediegenes Parkett, vier Kamine, große Spiegel und erlesene Möbel schmücken den Salon, in dem wir ein paar Amuse-Gueules - Cocktailtomaten, kleine Mozzarella-Bällchen und eine Art Honigbrot mit Gänseleber - zu uns nehmen. Man würde sich wie in einem Museum fühlen, hingen an den Wänden nicht auch die gesammelten Werke der drei Töchter, die zwischen Kleinkindalter und Studium allerlei Farbenfrohes zu Papier gebracht haben.
Nachdem sie aus dem Haus sind, hat Anne-Florence Zeit und Muße, Besuchern ein Stück Pariser Lebenskultur nahezubringen. Entweder allein oder mit ihrem Mann empfängt sie regelmäßig Gäste aus aller Welt. Japaner, Amerikaner, Norweger - meist sind es Englischsprachige, die an der großen Tafel im Esszimmer Platz nehmen und gehobene französische Küche serviert bekommen. Paté, Fischfilet auf Reis mit einer aparten Kräutersauce, vor dem Dessert - luftige Maracuja-Törtchen - stehen noch zwei wohlgereifte Käse zur Auswahl. Alles ist von sehr guter Qualität, aber ohne den Touch des Hausgemachten, wie Marcs Kreationen ihn hatten.
Auch die Unterhaltung verläuft hier anders als in Montmartre. Die Gastgeberin kennt sich bestens aus in der Kunstszene. Es gibt kaum eine wichtige Ausstellung, die sie nicht gesehen hat, und sie kann einem auch sagen, wo sich in ihrem Viertel ein kleines Museum mit afrikanischer Kunst versteckt und dass sich gleich neben dem sehenswerten Palais de Tokyo Anwohner einen winzigen Gemüsegarten erkämpft haben. Aber auch wenn sie eine weit gereiste, weltoffene Französin ist - bestimmte Themen würde ich hier lieber nicht anschneiden wollen.
Ob es beim gemeinsamen Kochen oder den Marktbesuchen lockerer zugeht? Denn auch das hat "Meeting the French" im Programm - ebenso wie Privatzimmer und Appartements. Was sich ebenfalls als gute Möglichkeit entpuppt, das Innenleben von Pariser Wohnungen kennenzulernen. Zum Beispiel das von Géraldine und ihrem Mann, die im 9. Arrondissement, einer eher volkstümlichen Gegend zwischen Oper und Place de la République, zu Hause sind. Wer würde schon hinter einer belanglosen Fassade ein Hôtel particulier, einen kleinen Privatpalast vermuten? Ich steige die dunkle Treppe in den ersten Stock hinauf und finde ich mich plötzlich in einem Salon aus dem 18. Jahrhundert wieder. Wieder mit dem obligatorischen Kamin und dem großem Spiegel, Wände und Decke sind mit kunstvollem Stuck verziert.
In der Mitte steht ein großes Sofa, daneben eine Essecke. An dem filmreifen Interieur kann ich mich sattsehen, während ich mich morgens an Café au lait, Croissants, Toast und selbstgemachten Marmeladen satt esse. Schlafen tue ich indessen in einer Art Dienstbotenzimmer mit gerade mal zwei Meter hoher Decke, das im darüber liegenden Stockwerk liegt. Immerhin hat es ein kleines Bad, Teekocher und Internet. Für alles andere entschädigen die guten Tipps und Plaudereien mit der sympathischen Géraldine.
Auch wenn man nicht unbedingt Freunde fürs Leben findet, dank Meeting the French kann man so manches nette Gespräch führen, vielleicht auch sein Französisch aufpolieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers