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■ Prinzipien für die LindenstraßeAm falschen Ort

Eine gute Gelegenheit, moralische Überlegenheit zum Ausdruck zu bringen, läßt sich niemand gern entgehen. Da klagen in Marzahn Nachbarn eines Asylbewerberheimes über Verkehrsbelastung, Dreck und Diebstähle. Der Bezirksbürgermeister reagiert auf den Unmut und läßt die Sperrung der Lindenstraße für den Durchgangsverkehr prüfen. Grund genug für die guten Menschen von Berlin, die schlechten Menschen von Berlin an den Pranger zu stellen. Öffentlich werden die deutschen Spießer von Marzahn für ihren Rassismus und Ausländerhaß gegeißelt. Der Bezirksbürgermeister muß sich vorwerfen lassen, er betreibe „Apartheidspolitik“.

Ob die Bewohner der Lindenstraße die Heimbewohner achten, wissen wir nicht. Aber ihre Forderung nach Schutz vor Durchgangsverkehr verdient eine sachliche Prüfung. Je näher man hinschaut, um so schwerer tut man sich mit apodiktischen Urteilen: Über den Lärm der Straße klagten die in der Nachwendezeit von Umsiedlung bedrohten Hausbesitzer schon, als noch die NVA das heutige Asylbewerberheim nutzte. Damals setzten sie den Bau einer 50 Meter entfernten Parallelstraße durch, auf denen nach der Entscheidung der Politiker künftig die Wagen der Asylbewerber zum Heim fahren sollen. Straßen zweierlei Rechts werden nicht geschaffen.

Der Rückbau zur Sackgasse ist also kein Sieg für Rassisten, sondern die pragmatische Lösung eines Konflikts in einem heiklen Umfeld. Die Lindenstraße ist nicht der Ort, an dem Grundsatzdebatten über die Rechte von Deutschen gegenüber Asylbewerbern ausgetragen oder mit aller Macht Prinzipien durchgesetzt werden sollten, die gar nicht bedroht sind. Es geht dort nicht um Vertreibung und nicht um die Zurückweichung der Politik vor ausländerfeindlicher Gewalt. Viele Nachrichten über Deutsche und Ausländer, die wir transportieren, sind alarmierend. Deswegen ist Hysterie verständlich. Nützlich ist sie nicht. Hans Monath

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