Primaten kennen keine Fairness: Schimpansen teilen ungerecht
Menschen machen sich viele Gedanken über ein faires Verhalten gegenüber anderen – anders als bestimmte Arten von Menschanaffen. Sie sind „rationale Maximierer“.

Egomanisch: der gemeine Schimpanse (Pan troglodytes). Bild: dpa
LONDON/LEIPZIG dpa | Die nächsten Verwandten des Menschen haben keinen Sinn für Fairness. Wenn sich Schimpansen und Bonobos in einem Experiment mehr als die Hälfte einer Portion Weintrauben sichert, ist das dem zweiten Affen offenbar egal - Hauptsache, er bekommt überhaupt etwas ab.
Damit unterscheiden sich beide Arten deutlich vom Menschen, der sich viele Gedanken um sein Verhalten gegenüber anderen macht. Diese Ergebnisse stammen von einer Gruppe um Keith Jensen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Veröffentlicht sind sie in den Biology Letters der britischen Royal Society.
„Fairness ist ein wichtiger Bestandteil menschlicher Sozialität. Um herauszufinden, wie sich diese im Laufe der Evolution entwickelte, stellten wir Schimpansen und Bonobos vor eine neue Aufgabe, die auf dem klassischen Ultimatum-Spiel basiert“, sagte Jensen.
An den Tests nahmen jeweils zwei Affen der selben Art teil. Dabei konnte ein Tier (der „Bestimmer“) dafür sorgen, dass es von insgesamt zehn Weintrauben entweder acht oder fünf bekam. Der Rest fiel an das zweite Tier, das in die Entscheidung des ersten nicht eingreifen konnte.
Lieber nichts, als zu wenig
Vergleichbare Tests gibt es beim Menschen. Wenn einer Person statt der gerechten Hälfte der zehn Weintrauben (oder Kekse, Äpfel, Geldstücke) nur ein kleinerer Anteil von zwei der zehn Gegenstände angeboten wird, lehnt sie oft alles ab - zu ungerecht erscheint dem machtlosen Mitspieler die Verteilung.
Nicht so bei den Affen, berichten die Forscher. Wenn ein Tier die Möglichkeit hatte, mehr als die Hälfte zu nehmen, wurde diese durchweg genutzt. Dabei nahmen die Affen in Kauf, dass ihr Gegenüber deutlich weniger erhielt. Der zweite Affe akzeptierte dennoch alle Angebote des „Bestimmers“ „Weder für Schimpansen noch für Bonobos schien es wichtig zu sein, ob Nahrung gestohlen wurde oder ob das jeweilige Ergebnis fair war - so lange sie überhaupt etwas erhielten“, ergänzte Jensen.
Zur Erklärung schreiben die Wissenschaftler, dass die Tiere womöglich gar nicht das Gefühl haben, zu kurz zu kommen oder zu viel an sich zu nehmen, weil sie das Konzept des Besitztums nicht kennen. Der „betrogene“ Affe nimmt daher klaglos alles an, was er bekommt. Beide Affenarten handelten als „rationale Maximierer“.
Die große Mehrzahl der am höchsten entwickelten Primaten - also der Großteil der Menschen - handelt weitaus umsichtiger und überlegt, welche Ungerechtigkeiten er mit seinem Tun anrichtet. Jensen sagte: „Das Empfinden für Fairness ist also möglicherweise eine dem Menschen vorbehaltene Eigenschaft.“
Leser*innenkommentare
auch das noch
Gast
herrlich, so eine sammlung von hochqualifizierten leserkommentaren konnte menschchen selten lesen.
auf die bäume ihr affen, der wald wird "gefaket".
diese textzeile stammt von höchstkomlexen primatengehirnen, denken jedenfalls diese gehirne, dasss sie höchstens sind. weiß gar nicht, darf ich das hier überhaupt rezitieren? oder mußß ich vorher von der gema eine erlaubnis erhalten? und einen trockenen schafplatz im baum abgeben?
Olga
Gast
Der "homo oeconomicus" ist out und die beschriebenen Experimente so nicht auf Menschen übertragbar. Ich empfehle die hochinteressante Lektüre von "Der Sinn des Gebens" (nicht zu verwechseln mit Monthy Pythons der Sinn des Lebens;-))
strooker
Gast
Wer hat den Artikel geschrieben? Sonst steht das doch immer dabei.
Jedenfalls muss es belastend gewesen sein diesen Artikel schreiben zu müssen, wenn der Affe gerade bewiesen hat, dass er klüger ist als der Mensch - und zwar insbesondere der, der keinen Krieg anfängt, weil er weniger bekommen hat ...
Den "effizienten Affen" - also den ersten - kennt der eine oder andere vielleicht persönlich. Also was soll dann die Schlussfolgerung: "Die große Mehrzahl der am höchsten entwickelten Primaten - also der Großteil der Menschen - handelt weitaus umsichtiger und überlegt, welche Ungerechtigkeiten er mit seinem Tun anrichtet. Jensen sagte: „Das Empfinden für Fairness ist also möglicherweise eine dem Menschen vorbehaltene Eigenschaft.“".
Ich habe wahrlich köstlich darüber gelacht! Dafür Danke!
Zenbuka
Gast
"back to the roots"!
Oder doch nur Ich Ich und dann nochmals Ich - haben will - Gier hermit - musst have...?
Nein, diesen unnützen Überfluss kennen die lieben Äfflein nicht und sie nehmen sich auch nicht, mehr als sie brauchen, um es dann wegzuwerfen weil sie nicht darüber Nachdenken können wo die Grenze ist. Da stimmt die Naturprogrammierung noch.
Ich möcht nicht mit den Primaten verglichen werden in meinem Verhalten denn es ist ein Teil meines Verstehens meiner Kultur, der Umgangs mit:
Ich habe genug, es reicht, ist alles da und gut - nimm auch Du Dir was Du brauchst.
Haben nie gelernt, Liebe Deinen Nächsten -
wie Dich Selbst und fang gleich mal bei Dir an - dann würden sie auch teilen und nicht nur sich selber sehen die unfairen Affen...
Grins
Gast
-endlich wird es klar, irgendwoher muss es ja kommen...
Befremdend nur dass es für die Abkömmlinge der Primaten anscheinend eine Erklärung braucht. Ist dies etwa notwenig, um sich auf einer feinen geisten Ebene weiterzuentwickeln oder nur um eine Ent"schuldigung" zu finden, weshalb es so ist... mitsamt dem Alibi - kann ja nichts dafür ;-)
GfR
Gast
Warum soll "Fairness" nicht "egomanisch" sein?
jakob
Gast
Soll das heissen, wir können mit Hilfe der Wirtschaftswissenschaften nun endlich das Verhalten von Schimpansen beschreiben?
ist doch nicht neu
Gast
Na ja, der Unterschied besteht ja auch genau darin, dass wir uns komplexe Gedanken machen können.Wenn wir uns dann aber wie so ein Schimpanse verhalten würden, kommt das dann natürlich nicht so gut an.
wegen
Gast
Die Beobachtung ist richtig, aber die Schlussfolgerung falsch. Bei der Auffassung von "Gerechtigkeit" ticken wir immer noch ähnlich wie unsere haarigen Verwandten: Man darf nicht vergessen, dass einer der beiden Affen faktisch der „Bestimmer“ war - also sah sich ihm der andere Affe nicht nur technisch sondern wahrscheinlich auch hierarchisch unterlegen (weil er weniger "konnte"). Auch bei den Menschen ist es bekanntlich normalerweise so, dass solchen aus einer höheren Hierarchiestufe (oder "Kaste") mehr zugebilligt wird als denen, die weniger "können". Und das ist auch in der Gesellschaft weitgehend so akzeptiert. Wenn aber die Psycho-Experimente so ausgeführt werden, dass beide Teilnehmer das selbe hierarchische Niveau haben sollen und dennoch ungerecht Teilen, dann gibt das die Realität nicht ganz realistisch wieder. Denn die ist bekanntlich oft ganz anders.
anke
Gast
"Das Empfinden für Fairness ist also möglicherweise eine dem Menschen vorbehaltene Eigenschaft". Allen Menschen? Nein! Eine kleine Minderheit leistet der Menschwerdung erbitterten Widerstand. Man nennt sie Alphatiere. Denn siehe: Als der Mensch die Zahl und das Konzept Eigentum erfand, haben diese Leute klar erkannt, dass sie was zu verlieren hätten, wenn sie keine Affen mehr wären. Vermutlich hat ihnen zu dieser Erkenntnis ihr Stammhirn verholfen.