piwik no script img

Primakow wird neuer russischer Außenminister

■ Ex-Geheimdienstchef gilt als Vertreter der alten Sowjet-Garde und als zäher Verhandler. Diplomaten schließen außenpolitischen Kurswechsel nicht aus

Moskau (AP/AFP)– Der bisherige Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes, Jewgeni Primakow, ist zum neuen Außenminister ernannt worden. Präsident Boris Jelzin unterzeichnete gestern den entsprechenden Erlaß. Das teilte das russische Präsidialamt mit. Primakow tritt die Nachfolge von Andrej Kosyrew an. Dieser hatte am vergangenen Freitag sein Amt niedergelegt, um seinen in der Wahl am 17. Dezember errungenen Sitz in der Staatsduma einzunehmen. Laut Verfassung kann ein Parlamentarier in Rußland nicht gleichzeitig ein Ministeramt bekleiden. Zudem war Kosyrew vor allem von nationalistischen und kommunistischen Kreisen wegen seiner angeblich zu prowestlichen Haltung kritisiert worden und zunehmend unter Druck geraten.

Der 66jährige Primakow gilt als Fachmann für den Nahen Osten und für Fragen des islamischen Fundamentalismus. Er ist einer der am längsten dienenden Mitarbeiter im Beamtenapparat Jelzins und war schon zu Zeiten der Sowjetunion in diesem Bereich tätig. Nach einer erfolgreichen Laufbahn als Journalist und Kommentator für das kommunistische Parteiorgan Prawda wurde er 1986 Kandidat und drei jahre später Vollmitglied des Zentralkomitees der KPdSU sowie außerordentliches Mitglied des Politbüros. Gegen Ende der Sowjetunion war er ein enger Berater des damaligen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow.

Während der Kuwait-Krise 1990 von Gorbatschow in die irakische Hauptstadt Bagdad geschickt, erreichte Primakow nach langen Verhandlungen mit Saddam Hussein die Freigabe von rund tausend von Irak festgehaltenen Ausländern. Im Herbst 1991 wurde er dann zum Chef des Auslandsgeheimdienstes des ehemaligen KGB ernannt.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Kosyrew gilt Primakow als Vertreter der alten sowjetischen Garde. Als solcher hatte er sich als zäher Verhandler und „graue Eminenz“ hinter den Kulissen einen Namen gemacht. Nach Ansicht westlicher Diplomaten in Moskau deutet die Berufung Primakows zum Außenminister auf die Absicht Jelzins hin, der russischen Außenpolitik zumindest eine symbolische Kursänderung zu einer nationalistischeren Politik zu geben.

Jelzin ernannte gestern außerdem den Karrierediplomaten Wladimir Slawin zum Chef des neugebildeten Rates für Außenpolitik. Der Rat soll dem Präsidenten direkt unterstehen. Jelzin hatte das neue Gremium, das die Außenpolitik koordinieren und ihre Effektivität erhöhen soll, unmittelbar vor dem Rücktritt Kosyrews ins Leben gerufen. Der Kreml hatte Spekulationen zurückgewiesen, wonach das Außenministerium durch den Rat teilweise entmachtet werden soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen