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Prima Leben unterm Stiefel

Montagsexperten kommen zu Wort. Heute: Herrmann Axen  ■ Ü B E R L E B E N S B Ö R S E ‘ 8 9

Eine kleine Geschichte, wie man sich als West-Berliner via DDR ins soziale Leben reintegrieren kann:

H. Arms, ein alter Bekannter, war kürzlich wieder total abgebrannt, aber immer noch durstig, als er nachts in einem Schuppen landete, in dem sich viel tumbes Volk umtat. Er stand da so rum & hörte, wie sich seine Nachbarn angeregt über die DDR-Flüchtlinge unterhielten. Mitgefühl klang in ihren Stimmen.

H. Arms also auf die los, „Ja, große Klasse, hier, endlich im Westen.“ & ließ dann seine Story ab, wie das war im Zeltcamp in Ungarn & wie man dann rübergekommen wäre & die ganzen Leute im Westen, die hätten einen richtig gefeiert. Das wär schön gewesen. & der erste ging ein Begrüßungsbier für Flüchtling H. Arms holen.

Wie's denn so drüben gewesen wär? „Ach ja, na mies, wa. Hast eben keine Freiheit da & das erträgst dann nich mehr.“ & da ging der zweite, ein Bier zu holen, wg. Freiheit verbindet.

& wie denn sein erster Eindruck vom Westen wär? „Na gut, wa. Also wir haben uns das Begrüßungsgeld geholt & dann hat jeder auch noch so'n Feuerzeug geschenkt bekommen. Tja, & dann nix wie los.“ Bei den Worten holte er ein Feuerzeug mit Bundesadler raus, das er am Bahnhof geklaut hatte. Die Leute gucken, man unterhält sich, die Stimmung ist gelöst & H. Arms schenkt das Feuerzeug einem Mädchen, das mit großen, gerührten Augen blickt. Bekommt man ja auch nicht jeden Tag, ein Begrüßungsgeschenk der Bundesregierung. Das war denn etliche Bier wert.

Ob das mit anderen Bundesadler-geschmückten BRD -Paraphenalia ebenfalls funktioniert? Ein kleiner Test ergab, daß mit dem Flattermann bedruckte Metallplättchen überall ihre Wirkung zeigten.

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