: Preußens Sorgenfalten
■ Berlin spielt seine einzig erstklassige Handballmannschaft kaputt, weil es Geld, aber keine Arbeit für die Spieler gibt
Berlin (taz) — Als die Mauer fiel, schlossen sich bekanntlich etliche Sportler dem langen Treck gen Westen an. Mitten unter ihnen die Handballer. Die Westclubs lockten mit Handgeldern, Arbeitsplätzen und Existenzsicherung nach Ende der Ballwurf-Karriere. Das zog.
Und der Exodus geht weiter. Betroffen ist auch der HC Preußen Berlin. Jörg Sonnefeld folgt dem Geldgeklimper der westdeutschen Rattenfänger und geht nach Hameln, Torwart Lutz Grosser zum TBV Lemgo und Oliver Plohmann zum großen Gummersbacher VfL.
Doch nicht jeder Handball-Ossi ist zu haben. Stephan Hauck beispielsweise, Berlins Spielführer, wird an der Spree bleiben. Aber nicht alleine. In einem Boulevardblatt bat er seine Busenfreunde um Bodenständigkeit: „Welche Gründe gibt es für einen Wechsel? Nur Geld! Aber im Westen seid ihr auf euch alleine gestellt, bei uns nicht. Hier gehen wir zusammen ein Bierchen trinken und hören uns die Probleme des andern an.« Daraufhin verlängerten — den Tränen nahe — die Leistungsträger Heinemann und Baruth ihre Verträge. Neitzel und Lause wollen gleiches tun.
Dabei ist das Pekuniäre nicht das primäre Problem. Lips: „Es geht darum, Arbeitsstellen für die Spieler zu beschaffen.« Und da ist der Preußen-Boß so überfordert wie ein ABC-Schütze, der Cicero übersetzen soll. „Stadt und Wirtschaft lassen uns im Stich«, mault er, „da heißt es immer, Berlin sei eine Sportstadt. In dieser Hinsicht ist Berlin ein Dorf.« Coach Gunther Funk nimmt es mit Humor: „Im Westen geht alles über Protektion. Die Clubs dort würden jedem einen Job besorgen, jedem. Auch einem meiner Spieler, der bei seiner Prüfung zum Bankkaufmann zweimal durchgefallen ist. Dabei ist der noch einer unserer Intelligentesten...« Sepp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen