■ Press-Schlag: Becker feuert Tiriac
Eigentlich sollte Boris Becker ja, wie die taz in ihrer sonst so unfehlbaren Jahresvorschau prognostizierte, im November auf Vermittlung seines Managers Ion Tiriac eine Bratwurstbude in Cottbus eröffnen. Doch daraus wird nun wohl nichts. Nach fast zehnjähriger hocherfolgreicher Zusammenarbeit trennte sich der nach Expertenmeinung (Vermarktungspapst Mark McCormack) in einer „midlife-crisis“ befindliche Tennisspieler von seinem geschäftlichen Urvater.
„Er war über und über dreckig, er war voller Sand, seine Knie bluteten, er bewegte sich wie ein Elefant, er hatte keine Ahnung, wie man Tennnis spielt, er wußte nicht mal, wie man mit dem Ball umgeht, er hatte keine Ahnung, aber – das sah ich sofort – da war diese ungeheure Willenskraft.“ So beschrieb der schnauzbärtige Karpatenbär mit dem grobgestrickten Charme und der untrüglichen Nase für bare Münze seinen ersten Eindruck vom 15jährigen Becker. Tiriac nahm das blutende Naturwunder aus Leimen unter seine Fittiche, stellte ihm den braven Günter Bosch als Trainer zur Seite und führte ihn schnurstracks zum Tennis-Gipfel. „Ich fand einen Jungen und machte ihn zum Champion“, lobte er sich selbst und bezeichnete Becker gern als sein „Produkt“, was diesen regelmäßig auf die Palme brachte: „Ich bin doch keine Waschmaschine.“
Bosch wurde bald abgehängt, weil er der „ungeheuren Willenskraft“ des rapide reifenden Wimbledon-Siegers nicht gewachsen war und Tiriac nach einem „spielstarken Trainer“ verlangte. Der Rumäne wurde mit der Erwachsenwerdung seines elefantösen Goldesels weit besser fertig und wandelte sich vom Zweitvater zum Geschäftspartner. Er verkraftete die Tiraden des Hafenstraßen-Boris gegen den schnöden Mammon ebenso klaglos wie Beckers Weigerung, gewisse Werbeverträge, die Tiriac mühsam an Land gezogen hatte, zu unterschreiben, und wartete geduldig auf die nächste Wandlung des amtierenden ATP- Champions in Sachen Philosophie und Selbsterforschung. Diese kam so gewiß wie das nächste Wimbledonturnier und Tiriac konnte sich über den Abschluß zweier neuer Werbeverträge und seine spektakuläre Einfädelung des Daimler-Coups, Beckers Übernahme einer Autovertretung in Stralsund, freuen. „Mister Boris Becker“ habe tausend Freunde, die sagen, was er hören wolle, meinte Tiriac, er sei einer der wenigen, die ihm widersprächen. Damit ist es nun vorbei. Bleibt die Frage, wer der neue Manager wird. Im Gespräch ist Axel Meyer-Wölden, umtriebiger Anwalt mit häufig ungetrübtem Mangel an Sachkenntnis, Veranstalter des Grand Slam-Cups und Möchtegern-Ueberroth der Möchtegern-Olympiade von Berlin. Davon können wir nur abraten. Wer einen schlagstarken Trainer hat, braucht auch einen schlagstarken Manager. Empfehlung: Carl-Uwe Steeb. Matti
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