■ Press-Schlag: Olympiadämmerung
Brigitte Schmitz, forsch-fröhliche „Außenministerin“ der Berliner Olympia GmbH, konnte sich ein geringschätziges Naserümpfen nicht verkneifen. Schön dumm seien die Mitbewerber um die Olympischen Spiele des Jahres 2000, daß sie alle nur bei der IOC-Exekutive in Atlanta gewesen seien und nicht auch beim Treffen der amerikanischen NOKs im argentinischen Mar del Plata. Die Berliner waren natürlich in Mar del Plata, wie sie überall sind, wo ein paar IOC-Mitglieder die Köpfe zusammenstecken. Doch nicht überall stößt die kostspielige Hase-und-Igel-Taktik der Olympia GmbH auf Begeisterung, stehen die Berliner doch spätestens seit ihrem gegen IOC-Regeln verstoßenden und daher gescheiterten Versuch, bei den Spielen von Barcelona mit einer aufwendigen Präsentation im Miró-Museum zu glänzen, im Ruch, sich Olympia erprotzen zu wollen.
So sorgte der Auftritt der Delegation von der Spree bei der Jesse-Owens-Gala im New Yorker Waldorf Astoria, wo für 6.000 Dollar ein Tisch erstanden wurde, eher für Spott. Nach ausgiebigen Nachstellungen gelang es zwar, den IOC-Präsidenten Samaranch zu stellen und zu einem Foto zu zwingen, auf dem er säuerlich lächelnd neben Frau Schmitz zu sehen ist, ein Gespräch lehnte der Olympiafürst jedoch glatt ab.
Auch sonst steht es nach Ansicht von Experten ziemlich schlecht um die Bewerbung. Peking und Sydney liefern sich ein einsames Kopf-an-Kopf-Rennen an der Spitze und böse Zungen munkeln, daß Berlin bei der Abstimmung am 23. September möglicherweise noch vor Istanbul und Manchester, knapp nach Brasilia, scheitern könnte. Sie raten der Stadt, lieber dem Mailänder Beispiel zu folgen und aufzugeben, bevor noch mehr Millionen sinnlos verschleudert sind.
Offen spekulierte NOK-Präsident Walther Tröger für den Fall des Scheiterns jüngst über eine Bewerbung Berlins für die Spiele des Jahres 2004, was ihm gewaltigen Ärger vor allem in jenen Städten einbringen wird, die sich schon vor Berlin beworben hatten und begierig auf ein Straucheln der Hauptstadt warten: Stuttgart, Hamburg und vor allem das Ruhrgebiet. Nahezu undenkbar, daß es ein zweites Mal für Berlin geben würde.
Die Gründe für den schlechten Stand Berlins liegen weniger in dem umstrittenen Finanzkonzept, das bei allen Bewerbern — außer Peking — auf wackligen Beinen steht, sondern in der mangelnden Unterstützung durch die Regierung, der Ausländerfeindlichkeit und der breiten Opposition gegen Olympia. Während sich Englands Premierminister John Major mächtig für Manchester ins Zeug legt und ungeniert Honig um das Maul von Samaranch schmiert, brauchten die Berliner fast ein Jahr, um Bundeskanzler Kohl zu einer halbherzigen Unterstützung zu bewegen. Während die englische Regierung eine Garantie über zwei Milliarden Pfund gab, läßt Finanzminister Waigel keine Gelegenheit aus zu betonen, daß der Bund keinen Pfennig für Olympia erübrigen werde.
Noch gravierender wirkt sich die massive Olympia-Opposition aus. Gerade mal 53 Prozent der Berliner Bevölkerung stimmten bei einer Umfrage kurz nach Barcelona für Olympia, und das auch nur kraft einer geradezu dreisten Suggestivfrage. „Die Olympischen Spiele in Los Angeles, Seoul und Barcelona waren finanziell erfolgreich und haben zu wichtigen Neubauten geführt“, hieß es da, „Sind Sie für oder gegen Olympische Spiele in Berlin?“ Angesichts dieser Fragestellung hätte das Ergebnis kaum kläglicher ausfallen können.
Die IOC-Mitglieder behaupten zwar, daß die Aktionen der Olympiagegner keine Rolle für ihre Entscheidung spielen, aber das ist natürlich gelogen. Keiner wird für eine Stadt stimmen, in der er sich bedroht und abgelehnt fühlt. Die panischen Räuber-und-Gendarm-Spielchen der Berliner Polizei (siehe Seite 5) machen alles noch schlimmer. Seit das zur Bekämpfung der Rechtsradikalität geschaffene „Sonderdezernat 81“ vorzugsweise damit beschäftigt ist, Transparente zu verhaften und vermeintliche Olympiagegner auszuspähen, seit nicht vorbestrafte Steinewerfer wochenlang in Untersuchungshaft brummen müssen, ist das Märchen von der Bedeutungslosigkeit der Olympia-Opposition geplatzt. Die Demonstration am Sonntag wird nicht nur den acht in Berlin weilenden IOC- Größen den grassierenden Unmut vor Augen führen.
Um die Olympischen Spiele 2000 doch nach Berlin zu bekommen, bleibt praktisch nur noch eine Möglichkeit: das Sonderdezernat 81 am 23. September nach Monte Carlo schicken, die ganze verdammte IOC- Vollversammlung umzingeln und so lange in Untersuchungshaft nehmen, bis sie geschlossen für Berlin stimmt. Matti Lieske
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