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■ Press-SchlagHeißer Sand

Carl-Uwe Steeb war sichtlich konsterniert. Mit 4:6, 2:6 war er in der ersten Runde des Münchner Tennisturniers von Thomas Muster vom roten Sandplatz gefegt worden. Steebs fassungslose Miene ist sinnbildlich für den momentanen Zustand der deutschen Tennisprofis: Sie reisen erfolglos von Sandplatz- zu Sandplatzturnier. – Die einzige Ausnahme, der Sieg des viersprachigen Diplomatensohnes Marc Goellner in Nizza, scheint doch eine Eintagsfliege gewesen zu sein. In München verlor Goellner („Der Kopf war nicht da, wo er hingehört.“) bereits im Achtelfinale gegen den französischen Qualifikanten Gérard Solves, Platz 389 der Weltrangliste. Der Alltag hat ihn eingeholt.

Ursachenforschung. „Boris – die Liebe macht ihn faul“, macht Bild ihren einstigen Volkshelden nach dessem dritten Sandkastendebakel in nur 14 Tagen jetzt nieder. Becker selbst wertet seine Niederlage auf Sand als normalen Vorgang: „Ich bin nicht ins Spiel gekommen. Was gibt es da zu pfeifen?“ Ihm fehle nur die Spielpraxis, die aber gerade durch die Niederlagen verhindert wird: „Ich verliere, weil ich auf Sand zu wenig Spiele habe. Da ich immer so früh ausscheide, habe ich wiederum zu wenig Spiele.“

Noch glaubt Boris Becker, momentan willkommener Lieferant von 45 Bonuspunkten für den siegreichen Gegner (Günter Bosch: „Jeder freut sich, gegen Boris zu spielen.“), bis zum Sandplatzhöhepunkt Ende Mai in Paris seine Form auf dem ungeliebten Belag zu finden. Da er zur Vorbereitung nur noch das Turnier in Rom spielen will, scheint ein erfolgreicher Auftritt bei den French Open eher zweifelhaft.

Nicht viel besser dran ist Michael Stich. In der Halle top, auf Sand folgt spätestens in der zweiten Runde der Flop. Dem Elmshorner geht dies offensichtlich ans Nervenkostüm. So trainierte er in München nicht wie alle anderen Profis auf der Turnieranlage, sondern übte im Verborgenen. „Ich bin hier, um meinen Beruf auszuüben. Dazu muß ich mich konzentrieren können“, begründete Stich in bekannt frigider Art seine Distanz zum gemeinen Volk. Beim Münchner Publikum beförderte ihn dieses Verhalten auf der Beliebtheitsskala noch weiter nach unten. Mehr als einen Anstandsbeifall haben die Zuschauer für den Wimbledonsieger 1991 nicht übrig.

Einer, für den das Tennisleben jedes Jahr erst richtig anfängt, wenn im März die Filzbälle langsamer werden, ist der österreichische „Mister Sandplatz“ Thomas Muster (14 Titel nur auf roter Asche). Musters Etiketten „Arbeitstier“, „willensstark“, „Wühler“, „krankhaft ehrgeizig“ und „fanatisch“ passen zu diesem Belag. Doch der 25jährige Steirer besteht darauf, daß seine Sanderfolge seinem intelligenten Spiel geschuldet sind: „Gerade auf Sand muß man mehr können und taktischer spielen.“ Karl-Wilhelm Götte

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