■ Press-Schlag: Tage des Herzinfarkts
Die meisten Menschen, die auf die Kanarischen Inseln fliegen, tun dies in vergnügter Stimmung. Nicht so die Spieler von Real Madrid. Auf Teneriffa büßten sie vor einem Jahr am letzten Spieltag ihren Einpunkt-Vorsprung in der Tabelle ein und mußten mitansehen, wie sich der verhaßte Erzrivale FC Barcelona, nachdem er zehn Tage zuvor schon Europapokalsieger geworden war, auch noch die spanische Meisterschaft einverleibte. Wie es das Schicksal so will, müssen die Madrilenen auch in diesem Jahr die Saison wieder auf Teneriffa beschließen, und wieder reisen sie mit einem Punkt Vorsprung auf Barcelona gen Süden. Einen Heimsieg der Katalanen gegen San Sebastian vorausgesetzt, muß Real wegen des schlechteren Torverhältnisses gegen die heimstarken „Tinerfenos“ gewinnen.
„Tage des Herzinfarkts“ beschreibt Barcelonas Michael Laudrup das, was beide Vereine durchleben, wobei die Katalanen froh darüber sind, daß sie nicht in der Haut ihrer Real-Kollegen stecken. „Sie irren sich“, hält Madrids Mittelfeldspieler Michel dagegen, „sie wissen nicht, was sich in unseren Köpfen abspielt. Alles ist anders. Die Geschichte wird sich nicht wiederholen.“ Vor einem Jahr sei die Mannschaft voller Angst gewesen und habe nie daran geglaubt, daß es zur Meisterschaft reichen könne. „Jetzt sind wir physisch, technisch und psychologisch auf einem sehr hohen Niveau.“ Ein Verdienst des zu Saisonbeginn gekommenen Trainers Benito Floro, wie auch Abwehrspieler Sanchis bestätigt: „Er hat sich sehr gut um den psychologischen Aspekt gekümmert.“
Wie stabil die „Königlichen“ derzeit sind, bewiesen sie im Pokal-Halbfinale – just gegen den FC Barcelona. Nach dem 1:1 im heimischen Bernabeu-Stadion schafften sie das Kunststück, die Katalanen in deren Nou Camp mit 2:1 zu besiegen, obwohl sie von der 35. Minute an nur mit zehn Mann spielten. „Der Mannschaft, die aus dem Pokal fliegt, bläst am letzten Spieltag der Wind stärker ins Gesicht“, hatte Barcas Beguiristáin gesagt, als er noch glaubte, sein Team werde gewinnen. „Madrid ist nicht besser als wir“, hatte sich Ronald Koeman Mut gemacht, „der einzige Unterschied ist, daß Barcelona zu Hause um Pokal und Liga spielt.“
Nachdem der erste Teil so drastisch schiefging, setzen Johan Cruyff und sein Team ihre Hoffnung auf Teneriffa. Im Gegensatz zum letzten Jahr, als für die Kanaren nichts mehr auf dem Spiel stand, müssen sie diesmal sogar gewinnen, um sich die Chance auf einen UEFA- Cup-Platz zu erhalten. „Herren über unser eigenes Schicksal zu sein, läßt uns eine Sache verteidigen, die über das Ehrenhafte hinausgeht“, dichtete Teneriffas argentinischer Trainer Jorge Valdano. Prosaischer sieht es Barcelonas Ferrer: „Es ist nicht leicht, auswärts zu gewinnen. Am allerwenigsten auf Teneriffa.“ Matti
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