■ Press-Schlag: Kaisers Wiederkehr
Die Tauben pfiffen es von den Dächern, und die Spatzen munkelten es aus der Hand: Der Kaiser kann es nicht lassen, ständig die Kleider zu wechseln. Immer nur Golf spielen ist auf die Dauer doch langweilig, vor allem im Winter, und nur auf den Präsidiumssitzungen von Bayern München rumzuhocken und zusehen zu müssen, wie ein starrköpfiger Trainer die Ratschläge der sachkundigen Vizepräsidentschaft in den Wind schlägt, macht bloß grantig.
„Wenn eine Notlage vorliegen würde, dann würde ich mich vielleicht überreden lassen“, hatte Franz Beckenbauer bereits vor Weihnachten geäußert und damit erkennen lassen, daß er längst überredet war, bis zum Saisonende den Trainerjob beim FC Bayern München zu übernehmen. Eine Notlage war eindeutig gegeben, wenn auch nicht so gravierend wie im März 1992, als die Bayern in akuter Abstiegsgefahr schwebten und Erich Ribbeck den Dänen Sören Lerby als Trainer ablöste. Das frühe Ausscheiden aus UEFA- und DFB-Pokal, die enttäuschenden Darbietungen der Millionentruppe in der Bundesliga und das lose Maul des Lothar Matthäus genügten jedoch, einen erneuten Wechsel im Traineramt anzustreben, zumal der 56jährige Ribbeck in den letzten Wochen immer mehr in einer taoistisch anmutenden Haltung des Nicht-Tuns versunken war. Zudem hatte er gewaltig an Ansehen in der Mannschaft eingebüßt, nachdem ihm das Präsidium mehrfach taktische Änderungen befohlen hatte, vor allem in puncto Viererkette und Liberobesetzung.
Das Problem war nur: Wie sollte man den hartnäckigen „Sir Erich“ loswerden. Der dachte nicht daran, freiwillig das Feld zu räumen, sondern betonte bei jeder Gelegenheit, daß er gedenke, seinen Vertrag bis zum Saisonende zu erfüllen. Daran konnten auch die Bemühungen von Präsident Fritz Scherer nichts ändern, der vor Weihnachten extra nach Gran Canaria, Ribbecks Urlaubsort, geflogen war, um den Unwilligen von den Segnungen eines Rücktritts zu überzeugen.
Dieser war längst beschlossene Sache, wie der Wechsel des Niederländers Jan Wouters nach Eindhoven bewies, von dem Ribbeck nicht die blasseste Ahnung hatte. „1992 war Erich das Beste, was es auf dem Markt gab. Jetzt ist er halt etwas angeschlagen“, hatte Beckenbauer unlängst ein klares Verdikt gesprochen, und schließlich erkannte auch Ribbeck die Zeichen der Zeit. Wir wissen nicht, welche finsteren Drohungen Scherer nach der Rückkehr des Trainers ausgestoßen hat, Ergebnis der neuerlichen Unterredung war jedenfalls, daß Erich Ribbeck folgendes verkündete: „Die Entwicklungen in der jüngsten Vergangenheit haben mich nun zu der Überzeugung gebracht, im Sinne des FC Bayern meine persönlichen Interessen zurückzustellen.“ Außerdem wünsche er „dem Verein, der Mannschaft und Franz Beckenbauer bei seiner Arbeit alles Gute“. Scherer konterte mit der obligatorischen Danksagung für gefeuerte Trainer und ergänzte im Stile eines Arbeitszeugnisses: „Er trug maßgeblich dazu bei, das Interesse am FC Bayern in der Öffentlichkeit zu steigern.“ Was man so oder so verstehen kann.
Mehr als das Interesse der Öffentlichkeit zu steigern, hat Franz Beckenbauer in seinem neuen Amt vor. „Die Meisterschaft ist Pflicht“, lautet sein Credo, und wenn einer den in den letzten Wochen recht pomadigen Hätschelprofis von Bayern München wieder fußballerischen Biß beibringen kann, dann ist es die 48jährige Fußball-Ikone, vor der selbst Lothar Matthäus einen Heidenrespekt hat.
Allzu großer Überredungskünste bedurfte es wohl nicht, den einstigen Teamchef zur neuen Aufgabe zu bewegen, obwohl er nach dem mißglückten Engagement bei Olympique Marseille ein klares „Nie wieder Trainer“ geäußert hatte. Sehr standfest war der Kaiser jedoch noch nie. Ob Cosmos New York, Nationalmannschaft oder Marseille, ein bißchen Honig um den Bart, schon lief die Sache.
Diesmal darf sich Beckenbauer sogar richtig „Trainer“ nennen, ohne, wie kürzlich Morten Olsen, auf seine alten Tage an der Sporthochschule büffeln und eine Prüfung zum Thema Defensivverhalten ablegen zu müssen. Nach dem WM- Gewinn 1990 verlieh ihm der DFB eine Trainerlizenz ehrenhalber, die auch in der Bundesliga Gültigkeit hat. Matti
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