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■ Press-SchlagOlympia in der Stadt der Silberminen

Majestätisch ragt der weiße Tempel der Mormonen vor der Kulisse der Rocky Mountains auf. Ein Symbol für die ehrgeizigen Gläubigen, die Salt Lake City aus dem Nichts zur blühenden Metropole machten. 1847 siedelten die ersten 148 Menschen mit ihrem Anführer Brigham Young an dem riesigen Salzsee. Anderthalb Jahrhunderte später haben die Einwohner wieder ehrgeizige Pläne: Salt Lake City bewirbt sich um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele im Jahre 2002 – der vierte Anlauf.

„Der tollste Schnee der Welt“ soll auf den Bergen um sie herum zu finden sein – so steht es jedenfalls auf den Autokennzeichen im US-Bundesstaat Utah. „Die jüngsten und gesündesten Menschen der USA“ leben nach Auskunft der Stadtväter in der auf 1.305 Meter Höhe gelegenen Millionenstadt. Die Einwohner reden gern in Superlativen über sich und ihre mögliche Rolle als Olympia-Gastgeber. So übertrieben die Sache mit dem Schnee und den Menschen auch ist – die Olympia-Begeisterung ist echt. „Wir sind die einzige Stadt, die ein Referendum über Olympia gewonnen hat“, berichtet stolz Tom Welch, der Präsident des Bewerbungskomitees. In der Tat haben 1989 bei einer Befragung 57 Prozent der Bevölkerung zugestimmt, kommunale Mittel für den Bau von olympiagerechten Sportstätten zu verwenden. Ein weiteres Referendum in Utah vor kurzem ergab, daß sich sogar 73 Prozent der Menschen Olympia in Salt Lake City wünschen.

Bereits heute sind die meisten Sportstätten fertig – acht Jahre vor den Spielen, die Salt Lake City noch gar nicht hat: alpine Strecken, nordische Anlagen, Hallen für Eishockey, Eiskunstlauf sowie für Pressenzentrum und IOC-Session. Der Campus der Universität – mit eigenen Sportanlagen – würde das olympische Dorf. „Wir wären die ersten Spiele seit 1980, bei denen alle Sportler zusammen wohnen. Das ist für mich das Wichtigste“, meint Welch.

Die Athleten wären einigermaßen schnell bei den Wettkämpfen: Das Olympiastadion ist direkt neben dem Dorf, die Eishallen und die Loipen nur ein paar Minuten entfernt. Nur die alpinen Pisten befinden sich im rund eine halbe Stunde entfernten Weltcup-Ort Park City; Bob, Rodel und Skispringen würde etwa auf halbem Weg am „Bear Hollow“ (Bärenhöhle) stattfinden. Doch sechsspurige Highways garantieren schnelle Beförderung auch für die Zuschauer.

Mit ertragreichen Silberminen sind die Mormonen einst im Land der Pajote- und Navajo- Indianer reich geworden. Heute sind die Minen stillgelegt, der Wohlstand ist geblieben: 220 Sponsoren finanzieren das Vorhaben der Stadt mit Beträgen zwischen 1.000 und 4.000 Dollar. Laut Finanzchef Rod Hamson wurden für die Sportstätten 99 Millionen Dollar veranschlagt, 59 Millionen davon wurden an öffentlichem Geld ausgegeben. Doch Bewerbungskomitee und Sponsoren haben sich verpflichtet, es im Falle des Zuschlags zurückzuzahlen. „Wir wollen ohne einen staatlichen Dollar auskommen“, so Welch. Insgesamt wird mit einem Olympia-Etat von 750 Millionen Dollar geplant.

Dreimal wurde Bewerber Salt Lake City abgewiesen: 1972 (Sapporo), 1976 (Innsbruck) und für 1998 (Nagano). Für 2002 sind bisher Quebec (Kanada), das schweizerische Sion und Oestersund in Schweden die Mitkonkurrenten. Die Bewerbungsfrist läuft am 1. Februar 1994 ab, vergeben werden die Spiele am 16. Juni 1995 bei der 104. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Budapest.

Bis dahin werden alle Anlagen mit Ausnahme der 120-Meter-Schanze gebaut sein. Schon jetzt wird „Bear Hollow“ mit den vier Naturschanzen – alle ohne teure, windanfällige und die Umwelt verschandelnde Sprungtürme angelegt – von vielen Hobby-Springern rentabel genutzt. Auch das Gebiet „Snowbasin“, das von Pistenbauer Bernhard Russi als für alpine Abfahrten gut befunden wurde, ist in erster Linie für Touristen gedacht. Gemäß dem Slogan: „Salt Lake City – wo Bewerbungsversprechen sportliche Wirklichkeit werden.“ Andrea Wimmer (dpa)

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