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■ Press-SchlagSchamanen gegen Hawthorne-Effekt

Ganz schlaue Leute fühlen sich bisweilen besonders intelligent, wenn sie sagen, Fußball sei primitiv. Alsdann aufgemerkt: Am Wochenende haben die „Schamanen- Mittel“ des Klaus Toppmöller nichts gegen den „Hawthorne-Effekt“ um Franz Beckenbauer ausrichten können. Kapiert? Im Grunde bedeutet das Ganze nichts anderes, als daß die Eintracht gegen die Bayern verloren hat. Doch so einfach ist die Sache eben nicht. Es ist vielmehr so, daß der Ausgang der Partie schon vorher klar war, dank eines Psychologen namens Hasse. Der hat herausgefunden, daß die Frankfurter nicht wegen ihres flachsinnigen Gebolzes der letzten Wochen untereinander verkracht sind, sondern daß Herrn Toppmöllers Motivationstricks mittels einer symbolischen Meisterschale oder einem lebendigen Adler (Merke: Schamanen-Mittel), den er ehedem in die Kabine flattern ließ, den Balltretern einen psychologischen Knacks verpaßt haben. Derselbe tritt nun als Spätfolge leistungshemmend zu Tage. Insofern war es nicht verwunderlich, daß die Main-Mimosen verlieren mußten. Vielmehr war es gar folgerichtig, weil sich nämlich bei den Bayern die „charismatische Figur“ Beckenbauer durchsetze, dessen kaiserliche Vita den anvertrauten Beinen Beine machen würde. Merke: Hawthorne-Effekt.

Ähem. Mitten drin hängen wir im synaptischen Taumel und wundern uns, was in einem Kicker so alles vor sich geht und was ihm sonst noch Absonderliches widerfährt. Da mußte zum Beispiel Franz Beckenbauer genötigt von einer enthemmten Fernsehfrau darüber schwadronieren, ob er Fußball-Alpträume habe. Hernach hatte Stürmer Valencia mal wieder über seine sportive Befindlichkeit in Abhängigkeit zur Großwetterlage zu räsonieren. Torschütze Scholl wagte sich gleich gar nicht mehr in die Öffentlichkeit. Verschreckt hatte ihn ein Fan der neuen Generation. Die tragen Kopfhörer, haben Mikrophone in der Hand und eine Kamera im Rücken und wer nicht bei drei auf dem Baum ist, wird von ihnen verbal niedergeherzt. „Mehmet“, sabberte der Fan mit weinerlicher Stimme, „was hast du gedacht, als du Jungspund auf Uli Stein zugingst?“ Und dann hat Scholl gesagt, „nichts, ich hab gedacht, der muß jetzt rein“. Jaaa, da freute sich der Fan mit dem Mikrophon und winselte: „Und du hast es wuuunderbar gemacht.“ Und wir saßen vor der Glotze und waren ein wenig trübsinnig. Einerseits, weil niemand dem Mann einen Block reichte, damit er sich ein Autogramm hätte abholen können, andererseits, weil die tiefenpsychologische Betrachtung des Phänomens Torschuß durch Scholls Ausführungen nicht weiter erhellt wurden. Bis Lothar Matthäus vor die Kamera trat und sprach: „Ob der Keeper noch dran war, oder ob Glück dabei war, wichtig ist, daß er drin war.“ Gerhard Pfeil

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