■ Press-Schlag: Reiter der Apokalypse
Auf mirakulösen Pfaden wandelt bisweilen der Fußballsport. Und es muß nicht mehr verwundern, wenn alsbald die Welt der esoterischen Bewußtseinserweiterung in die einstmals originären Handlungsvorgänge zwischen Torgebälk und Mittellinie fährt. Seit beim FC Bayern zum Beispiel die Mär geht, Kaiser Franz aus Kitzbühls Bergen bringe mittels Handauflegen leistungsfördernde Körpersäfte zum Rotieren, sind sie zu echten Anhängern von Energiefeldtheorien und transzendentaler Geisteskraft mutiert. Weswegen sie auch Giovanni Trapattoni als Nachfolger Beckenbauers auserkoren haben, was anfänglich ja schon verwunderlich daherkam, weil jener der deutschen Sprache gar nicht mächtig ist. Doch spielt das, weiß man jetzt, überhaupt keine Rolle. Trap muß gar nicht sprechen. „Wenn der auf zwei Fingern pfeift“, sagt Präsidiumsmitglied Karl-Heinz Rummenigge, „weiß jeder sofort, was er zu machen hat.“
Willkommen im Zeitalter der nonverbalen Kickerkommunikation. Daß sie in Berlin die Signale aus der freistaatlichen Fußballhochburg ignorieren und Sportdirektor Jürgen Sundermann bei Hertha BSC mit steinzeitlichen Praktiken operiert, ist freilich typisch für die bundesdeutsche Fußballbrache. So geht die Kunde, daß der Mann seinen Spielern sexuelle Aktivitäten untersagt habe, weil dadurch Substanz verlustig gehen könnte, die man im Abstiegskampf benötige. Bö! Uralte Weisheit. Ein Hoch daher auf den Schweizer Fußballverband, der jüngst das Sexverbot aufhob, wie ein bundesdeutsches Bilderblatt frohsinnig vermeldete: „Nun dürfen sie doch zweimal kommen!“
Was nun der Vorturner Benno Möhlmann beim Hamburger Sportverein falsch gemacht hat, daß ihm seine Spieler gleich pulkweise entfleuchen, bleibt rätselhaft. Nur soviel: Allesamt wechseln Thomas von Heesen, Jörg Bode und Armin Eck zu dem Regionalligisten in spe, Arminia Bielefeld. Weil sich dort auch Fritz Walter, Torjäger vom VfB Stuttgart, verdingen will, wähnt manch erschütterter Bundesligamanager eine epochale Finanzmacht im Raum Bielefeld, die magisch Fußballer anzieht. Während nun allerorten eilig Transferstopps ausgerufen wurden, ließ Dragoslav Stepanovic von Bayer Leverkusen einen Versuchsballon steigen, um die Stärke der westfälischen Anziehungskraft auszuloten. So verkündete Stepi hinreichend vernehmlich, der Angestellte Martin Kree sei zu haben. Bislang wurde Kree allerdings noch nicht dabei beobachtet, tranceartig gen Bielefeld zu wandeln. Und sollte Stepi glauben, er könne sich dem Lockruf des Geldes anschließen, auch bei Arminia anheuern, hat er sich getäuscht. Dort gedenken sie sich nämlich, an Hermann Gerland (Bayern-Amateure) und Werner Lorant von Zweitligist 1860 München heranzumachen.
Gestört wird der fußballerbetörende Reizgesang, der von der Bielefelder Alm herabschallt, leider durch das Säbelrasseln im Vorfeld des bajuwarischen Gipfelkicks zwischen Bayern München und dem 1. FC Nürnberg. So analysierte Franke Hans Dorfern, von sonderbarer Geisteskraft beseelt, sein Team sei in Wahrheit viel besser als die Großkopferten aus der Landeshauptstadt. Hat ein Orakel zu ihm gesprochen? Oder Kollege Zarate? Der prophezeite enthemmt, als sei ihm der Fußballgott erschienen, „ich werde das entscheidende Tor schießen“.
Mysterium Fußball. Fehlt nur noch, daß sie beim 1. FC Kaiserslautern schichsalsergeben die Kickstiefel wegschmeißen und ihre Jagd nach dem FC Bayern aufgeben, weil ihnen irgendwelche Vorreiter der Apokalypse begegnet sind. Gerhard Pfeil
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