■ Press-Schlag: Ein Hool macht Urlaub
Er besteht darauf, nicht mit seinem richtigen Namen genannt zu werden. Also soll er Peter Grömitz heißen. „Dahin sind meine Eltern immer in den Urlaub gefahren.“ Als er 15 wurde, fand er das Ostseebad der Hamburger Alten ziemlich „ungeil“: „Mir war nach mehr Unruhe.“ Was er prickelnder fand? Fußballstadien: Kuttenträger, Hooligans, Leute, „die mal Sachen herausschreien und nicht immer nur reden“.
Jugendforscher haben Hooligans längst beforscht. Und befunden: Hools hassen Ekstase, Gewalt wird dosiert, jede Randale einem Kalkül unterzogen. Peter Grömitz, der so aussieht, als könne er niemandem ein Härchen krümmen – schmächtig, kurzes Haar, Jeans, Turnschuhe, dunkelblaue Augen –, hat sich nur zweimal verkalkuliert. Beide Male hat die Polizei keinen Spaß verstanden. Also führt sein Vorstrafenregister einen Eintrag über schweren Landfriedensbruch und schwere Körperverletzung. „Die Strafen waren okay.“ Aber Hooliganismus sei Sport, „ein illegaler“, räumt der Mann, der morgen in die USA reist, ein.
Tote bei Fußballkrawallen? „Nein, das möge Gott verhindern.“ Er sagt Gott. 1988 bei der Fußballeuropameisterschaft, Halbfinale gegen die Niederlande in Hamburg, da fing er an „zu kämpfen“, wobei er auch heute nicht sagen kann, wofür und wogegen. „Wir wollten unbedingt die Holländer verhauen und die Hafenstraße schleifen.“ Die Hafenstraße „hatte etwas, was wir nicht hatten.“ Was, das kann er nicht sagen.
Sein Leben ist das eines Durchschnittsbürgers: Peter Grömitz lebt mit seiner Freundin zusammen, will mit ihr Kinder, vielleicht ein Haus. Alltags ist er Krankenpfleger und bemüht, „Menschen zu helfen, wenn sie krank sind“.
In den USA wird er auf die entsprechenden Dress-Codes der Hooligans verzichten: „Bloß nicht in den Knast. Das wäre das Schlimmste für mich – eingesperrt in einem so großen Land.“ Nein, wie seine Eltern wird er reisen, im Campingbus: „Frei sein in dem Land, das ich schon immer mal sehen wollte.“ Mit Politik habe seine Wochenendbeschäftigung nichts zu tun: „alles Arschlöcher“. Warum? Weiß er nicht. Um was es ihm geht? Abenteuer: „Da war mal ein Auswärtsspiel in Kopenhagen, und auf der Rückfahrt haben wir 'nen Schwulen verarscht, ins Klo gelockt, in Lübeck mußte er aussteigen – ohne Klamotten.“
Was ihn in den USA erwartet, weiß Peter Grömitz auch nicht. „Hauptsache, wir kommen ins Land.“ Soll heißen: Hoffentlich hat die ZIS, die Zentrale Information Sporteinsätze, seine Daten nicht zum FBI weitergereicht. Und wenn sie ihn von Chicago wieder nach Hause schicken? „Kann ich mir nicht vorstellen.“ Und wenn doch? „Dann beiße ich mir in den Arsch.“ Schade wär's um den Urlaub, um das Geld: „Im Fernsehen läuft die WM ja auch.“
Und Gegner, adäquate Gegner gibt es ohnehin nicht in den USA: England ausgeschieden, Ungarn nicht mit von der Partie, nur Holland könnte Kämpfer aufbieten: „Aber ich will Urlaub machen.“ Und sonst? „Norwegen, Südkorea, Schweiz, ich meine, das ist doch nichts zum Kämpfen.“ Jan Feddersen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen