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■ Press-SchlagJohan für Berti!

Hoch schlagen nach dem schlechtesten Abschneiden einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei einer Weltmeisterschaft seit 32 Jahren die Wellen der Empörung und gegenseitigen Schuldzuweisung über die Weltmeere. Berti Vogts, Artenschutzbeauftragter für ehemalige Weltmeister im Deutschen Fußballbund (DFB), schimpft in Florida über „Wohlstandsjünglinge“ und macht sich über die von ihm selbst zusammengestellte Veteranentruppe lustig, Lothar Matthäus grummelt derweil in Hawaii so laut vor sich hin, daß es alle hören. Nur einer behält inmitten des medialen Schlagabtauschs unerschütterlich die Nerven: der Kaiser. Franz Beckenbauer ist weiterhin eisern von der Auserwähltheit des deutschen Fußballs, den er vor vier Jahren kurzerhand für unbesiegbar erklärte, überzeugt.

Irgendwas passiert? Gegen Bulgarien im Viertelfinale ausgeschieden? Pah! „Gegen die Bulgaren zu gewinnen, war doch einfach. Und dann hätten wir die Italiener im Halbfinale geputzt und wären wieder im Endspiel gestanden.“ Einfach, in der Tat. Und, fragt der Kicker, gespannt auf majestätische Ratschlüsse für eine glorreiche Zukunft: „Welche Lehren muß der deutsche Fußball aus dieser WM ziehen?“ – „Gar keine!“ Basta, der Kaiser hat gesprochen.

Dem Berti rät er väterlich, daß er doch nachdenken möge, bevor er rede, ansonsten solle er weiterwurschteln wie bisher, genauso wie all die anderen Amerikafahrer von Matthäus bis Möller. Die nächste Europameisterschaft ist schon halb erreicht, wenn nicht gar gewonnen („Wer soll uns da gefährden?“), Viererkette ist Unsinn, man brauche sich doch bloß die Italiener angucken, und der Superstar der Zukunft heißt Andreas Möller: „Er ist nun 26 Jahre alt und wird langsam erwachsen, das fängt schon an.“ Beruhigend. Ein Stammplatz in Bertis Elf für die WM 2002 ist Möller so gut wie sicher. Gestenreich zur Seite stehen wird ihm dann Stefan Effenberg, der ebenfalls Gnade findet vor des Kaisers Auge: „Sind wir denn nur noch Moralisten?“

Insgesamt hat Beckenbauer eine „recht gute“ WM gesehen, eine Meinung, die sein alter Widerpart und Ego Johan Cruyff ganz und gar nicht teilen mag. Wo der Kaiser Gold sieht, sieht König Johan schwarz. Cruyff, der es wieder erfolgreich vermieden hatte, die niederländische Mannschaft zu trainieren und sein bestechendes Offensivkonzept auf den Prüfstein einer WM zu legen, spricht von einer „Weltmeisterschaft der Angst“ und geißelt die defensive Einstellung der meisten Teams. Den Deutschen attestiert er Arroganz, Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit, Berti Vogts wirft er Versagen vor, weil er sich auf die Weltmeister von 1990 gestützt habe.

Keine Frage, Cruyff ist unser Mann. „Johan für Berti“ heißt die Devise. Zumindest, solange Udo Lattek keine Zeit hat. Matti Lieske

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