Press-Schlag: Die Faust Gottes
■ Faustball-Serien-Sieger Deutschland ist schon wieder Europameister
Eigentlich hatten das alle erwartet. Es kam so, wie es fast immer gekommen war. Bei der 9. Europameisterschaft im Feld- Faustball der Männer im badisch-sibirischen Walldürn gab es für die Spieler im tristen Schwarz und Weiß den achten Titel. Nur 1984 konnte sich Österreich in die Siegerliste einschleichen. Spätestens jetzt ist dem allerletzten Faustball-Ignoranten klar, daß dieses durchaus nicht unattraktive Spiel vor allem in deutschsprachigen Ländern zu Hause ist und darüber hinaus dort, wo aus den unterschiedlichsten Gründen auch Deutsch gesprochen wird. Die nächste Weltmeisterschaft wird in Namibia ausgetragen.
Dabei ist das Spiel mit der Faust eine der ältesten Sportarten der Welt, die bereits 240 nach Christus von Gordianus, dem damaligen Kaiser von Rom, erwähnt wurde. Schon 1555 schrieb Antonio Scaino die ersten Regeln für das verwandte italienische „Ballenspiel“. Und der deutsche Georg Heinrich Weber verfaßte Ende des letzten Jahrhunderts das erste Regelwerk, worauf Faustball seinen Weg um die deutschstämmige Welt nahm.
So richteten sich die Hoffnungen der Faustballfans, die an einem spannenden Spiel interessiert waren, auf die Schweizer. Doch die Männer aus Jona bei Rapperswil und Full-Reuenthal hatten es mangels Kenntnis der örtlichen Besonderheiten versäumt, nach Pfingsten einen Bußgang per pedes zu unternehmen. Vielleicht hätte der ihnen mehr Glück beschert. Vier Wochen lang vom Pfingstsonntag an steht alljährlich der 1.200 Jahre alte Austragungsort Walldürn im Zeichen der „Wallfahrt zum Heiligen Blut“.
Um 1330 hatte der Priester Heinrich Otto bei der Heiligen Messe den konsekrierten Kelch aus Versehen umgeworfen. Der rote Wein ergoß sich auf das darunterliegende Korporale, worauf der Geistliche das Leintuch voller Schrecken unter der Altarplatte verbarg. Erst kurz vor seinem Tod beichtete er sein Mißgeschick. Aber als man das Tuch fand, verbreitete der Klerus die Nachricht von dem angeblichen „Blutwunder“, und bald pilgerten Heerscharen von Gläubigen und Abergläubischen ins Badische, um das Blut Jesu auf dem Tuch kleben zu sehen.
Vor dem Finale waren die (blut-)rot gekleideten Schweizer noch voller Zuversicht. „Wir haben auf Vereinsebene die besten deutschen Mannschaften geschlagen und brauchen uns nicht zu verstecken“, machte Reto Egolf (28), Angriffsspieler vom STV Full-Reuenthal sich und seinen Mitspielern Mut. Und Kapitän Stephan Jundt fügte an, es sei „an der Zeit, daß mal eine andere Mannschaft die EM gewinnt“.
Doch nur Trainer Peter Meier sollte recht behalten. Er hatte immerhin ein Dreisatzspiel vorausgesagt.
Unbeeindruckt von all dem zogen die Deutschen, vor allem in der zweiten Hälfte des ersten Satzes, planmäßig ihr nüchternes und kraftbetontes Spiel auf. War es aber bis zum 11:10 noch knapp, so hieß es zum Satzende 20:13. Jeder glaubte die Roten schon am Boden. Doch angefeuert von kräftigen „Hopp Schwyz“-Chören und begünstigt durch eine unerklärliche Schwächeperiode des schwarzen Hannoveraners Martin Becker machten die Schweizer aus einem 4:7-Rückstand einen 14:9-Vorsprung. Auch die Auswechslung des glücklosen und etwas plump wirkenden Schlagmannes nützte auf die Schnelle nichts. Die Schweizer gewannen den zweiten Satz mit 20:15.
Doch im dritten Durchgang kamen die Deutschen ganz gewaltig. Nur bis zum 3:3 hielten die Roten mit und lagen bald mit 3:11 hinten. Machtlos mußten sie ein deklassierendes 8:20 über sich ergehen lassen, nichts war es mit dem Ende der deutschen Dominanz auf den internationalen Faustballfeldern. Holger Siebler (25), Abwehr-As vom SV Moslesfehn und vor allem im ersten Satz bester deutscher Spieler, hatte mit dem Schweizer Satzgewinn erst gar nicht gerechnet: „Weil wir gute Schlagleute haben, und wenn die treffen ...“
Derweil hatte der Schweizer Stephan Jundt einen passenden Vergleich parat: „Die Deutschen schaukeln so ein Spiel, auch wenn es nicht so gut läuft, mit ihrer Routine nach Hause. Die machen das wie die Fußballer.“
Den Schweizern nutzten an diesem sonnigen Sonntagnachmittag auch die besten Wünsche ihres kickenden Landsmannes Ciriaco Sforza aus Kaiserslautern nichts. Der hatte am Tag zuvor einfach mehr Glück mit seinem Fausttor gegen Stuttgart, mehr Selbstvertrauen und die Portion Raffinesse, die ein Sieger braucht. Günter Rohrbacher-List
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