Press-Schlag: Vier für Fernost?
■ Die japanische Profi-J-League ruft Deutschlands beste Kickerinnen
„Solch ein Angebot“, findet Silvia Neid, 30, Mittelfeldspielerin bei Meister TSV Siegen, „muß man einfach näher prüfen.“ Hierzulande kickt frau noch für Spritgeld, und plötzlich lockt da jemand mit hochdotiertem Profitum. Die Rekordnationalspielerin (88 Länderspiele) traute ihren Augen nicht, als sie in der Post ein Schreiben mit Absender „Suzuyu Shimizu FC“, fand. Der Meister der japanischen Frauenfußball-J-League schlägt ihr folgendes vor: Umgerechnet 15.000 Mark monatlich kann die Floristin ab August 1995 fürs Fußballspielen bekommen. Woraus folgt: Silvia Neid beginnt, über eine Zukunft in Fernost nachzudenken.
Dort existiert seit 1991 eine Profiliga mit zehn Teams, die von Großfirmen betrieben und finanziert werden. 1991 hat Japan an der WM teilgenommen, seither boomt der Fußball: Über 15.000 Frauen kicken mittlerweile. Insbesondere US-amerikanische Soccer-Studentinnen verdingen sich gern in der J- League. Und auch Norwegens Weltklassestürmerin Linda Medalen verdient dort prima: Angesprochen auf ihr Saisongehalt preßt die Europa- und Vizeweltmeisterin zwar eisern die Lippen aufeinander, doch soll die Osloer Polizistin seit drei Jahren für die vier Monate dauernde Saison jeweils gut 50.000 Dollar bekommen.
„Vier Monate“, das findet auch Silvia Neid, „sind ein interessanter Zeitraum.“ Allerdings arbeitet die Nationalkapitänin bisher ganzjährig im Blumengroßhandel von Siegens Ex- Trainer Gerd Neuser. Und der ist nicht begeistert: „Ich brauche die Silv. Das ist bei mir kein Freizeitjob.“
Vereinskollegin Doris Fitschen hat dieses Problem nicht. Die Studentin der Wirtschaftswissenschaften, möglicherweise Europas beste Spielerin, hat dieselbe Offerte erhalten. Die 26jährige Nationallibera möchte allerdings „meine mögliche Olympiateilnahme 1996 in Atlanta nicht gefährden“. Nicht abgeneigt, „gutes Geld zu verdienen und neue Erfahrungen zu sammeln“, will sie das den verhandelnden Europabevollmächtigten der hinter dem Club stehenden Transportfirma mitteilen.
Am Niederrhein beim FC Rumeln hat man die nadelbestreiften Herren bereits anreisen lassen, um ihnen mitzuteilen, daß Stürmerin Maren Meinert unverkäuflich sei. Was allerdings der 21jährigen Sportstudentin sauer aufstieß. Zwar hat auch für sie „ein Stammplatz für Atlanta“ Priorität, doch ist sie „grundsätzlich nicht abgeneigt“. Kein monetär inspiriertes Fernweh plagt allein die schweigsame Heidi Mohr. Zwar hat auch die 27jährige, die in 74 Länderspielen 60 Treffer erzielt hat und jüngst erst für echtes Geld von Niederkirchen zum TuS Ahrbach wechselte, eine Offerte, doch: „Wer weiß“, rätselt sie, „ob ich mich so weit von zu Hause überhaupt wohlfühle.“ Noch bleibt Zeit zum Überlegen. Rainer Hennies
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