■ Press-Schlag: Dem Kaiser dämmert's nicht
„Unsere Gesellschaft“, sagt Franz Beckenbauer (49), der dieselbe nun auch schon eine ganze Weile beobachtet, „wird immer humorloser.“ Daß der Mann recht hat, hat sich in Karlsruhe bestätigt, als ein Gesellschaftsmitglied namens Matthäus mit hochrotem Gesicht „Schweinerei“ und „Sauerei“ so schnell bäffte und bläffte, daß selbst Töpperwien mit dem Nicken nicht mehr nachkam. Schiri Krug hatte in vorletzter Minute den Bayern regelkonform zwei Spieler vom Feld zitiert, darunter den Jüngling Kuffour (18), weil der das Spielfeld nach Verletzung unangemeldet betrat: Worauf dem KSC noch das 2:2 gelang. Es mag dies nun zwar eine Regel sein, die jeder F-Jugendliche kennt, sei aber auch, so befindet humorig der Franz, „die dümmste Regel, die je erfunden wurde“. Das sagte er in „Das aktuelle Sport-Studio“. Und zwar als neuer Präsident des FC Bayern München. Oder als Kolumnist von Bild? Oder als RTL-Kumpel von Moderator Jauch (vgl. auch „Gurke des Tages“)?
Ja mei: „Ich hoffe nicht“, hofft der Franz, „daß ich irgendwann mal den Konflikt mit mir selber ausmachen muß.“ Übersetzt: Dieses Problem mag sich zwar unweigerlich stellen, in keinem Fall aber dem Franz. Der weiß genau, was er tut. Wenn er es getan hat. Eine Woche ist er jetzt 99,6prozentig gewählter Präsident des größten deutschen Sportvereins, auf die Geschäftsstelle hat's ihm noch nicht gereicht, aber was auf ihn zukommt, wird ihm langsam klar: „Arbeit.“ Hilfe. Oder Gott sei Dank?
Die Mär vom glücklichen Golfer, der nur kommt, wenn es denn gar nicht anders geht, hat er – vermutlich unbeabsichtigt – selbst verworfen. „Ich brauche niemanden, der mich drängt“, hat er zugegeben. Einer wie er wird nicht gedrängt, es drängt ihn. Und dann „ist es völlig wurscht, wer vorne steht“, solange der Beckenbauer heißt. Ob ihm der Erfolg nun zufliegt oder er hart dafür arbeitet, den Schein zu wahren: Der Mann mag nicht wissen, wie er was tut, aber er weiß genau, was er will. Sagt er: „Trapattoni hat alle Zeit der Welt“, dann heißt das, Trapattoni hat alle Zeit der Welt. Bis Franz sie halt mal nicht mehr hat.
Eines allerdings gibt zur Beunruhigung Anlaß: Beim heiligen ZDF-Schießen hat der Torwandkönig am Samstag gerade noch einen einzigen Treffer zustande gebracht! Was mag das bedeuten? Daß die nie zu enden scheinende Glückssträhne doch eines nicht mehr allzufernen Tages reißen könnte? Doch einmal alles, was der Mann falsch macht, sich nicht als richtig herausstellen wird? Dämmert's dem Größten vielleicht, was er da eigentlich sein Leben lang und nun im neuesten Präsidenten-Abschnitt dahertut und daherredet? „Gott sei Dank noch nicht“, sagt Franz Beckenbauer. Gott sei Dank, sagen daher auch wir: Dann ist ja doch noch alles in bester Ordnung. Peter Unfried
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen