piwik no script img

■ Press-SchlagDie Vision der Vulkanierin

Richtungweisende Beschlüsse hat der Weltfußballverband FIFA für die 2. Weltmeisterschaft der Frauen (5. bis 18. Juni 1995 in Schweden) gefaßt. 50 Prozent der zwölf Schieds- und zwölf LinienrichterInnen müssen dann weiblich sein. 1991 in China waren sechs Frauen als Linienrichterinnen zugelassen worden, darunter Gertrud Regus aus dem bayerischen Hallstadt. Die Neuseeländerin Linda Black erschien gar ein Jahr später auf der FIFA-Schiedsrichterliste und leitete Länderspiele der Männer in Ozeanien. Doch das blieb eine Ausnahme.

Nun bekommt allein Europa zwei Schiedsrichterinnen und vier Linienrichterinnen zugeteilt. „Dahinter“, sagt DFB-Frauenreferentin Hannelore Ratzeburg, „steht der Motivationsgedanke.“ Das Mitglied im Frauenkomitee der FIFA freut sich, „daß es jetzt eine Perspektive gibt, um die Belange der Frauen voranzutreiben“. Ihre italienische Kollegin Marina Sbardella, im Hauptberuf Moderatorin beim Berlusconi-Sender Tele Monte Carlo gibt sich gar kämpferisch. „Die 50-Prozent-Quote ist eine gute Gelegenheit, mehr zu schaffen.“ Leistung soll zählen, nicht Geschlecht. „Warum“, fragt Sbardella, genannt „Il Vulcano“, „sollen Frauen nicht auch völlig normal Länderspiele der Herren leiten können?“ Die Vision der Vulkanierin: Das soll bereits 1996 bei Olympia in Atlanta der Fall sein.

Immerhin setzt die FIFA über die Schiedsrichterfrage hinweg Zeichen. So wurden die jüngst in New York getätigten Nominierungen des Exekutiv-Komitees bestätigt: Der Ausschuß für Frauenfußball wird von sieben auf 14 Mitglieder verdoppelt. Bislang war Hannelore Ratzeburg die einzige Frau in diesem Gremium. Neben ihr sind Marina Sbardella, Linda Grant (USA) und die Neuseeländerin Josephine King dazugekommen. Für Hannelore Ratzeburg bedeutet das „eine Erweiterung an Kompetenz, Meinungen und Erfahrungen“.

Die Vergrößerung des Ausschusses und die Anhebung des Frauenanteils erklärt sich die Hamburgerin mit der Erkenntnis des FIFA-Präsidenten Joao Havelange, daß ausschließlich im Frauenfußball noch Entwicklung für die FIFA möglich sei. Mit der Nominierung von drei Südamerikanern verfolgt der alte Mann aus Brasilien zudem sportpolitische Ziele, denn Südamerika gilt im Frauenfußball als Entwicklungsregion. Wer aber im Ausschuß sitze, so Hannelore Ratzeburg, habe auch die moralische Verpflichtung zu arbeiten. Chile hat tatsächlich bereits an der Frauen-WM 1999 leises Interesse signalisiert.

Daß das „Entwicklungstrio“ aus Südamerika ein männliches ist, stört Marina Sbardella nicht: „Im Ausschuß kommt es nicht darauf an, ob du Mann oder Frau bist“, sagt sie, „sondern darauf, wie eine Frau denken zu können.“ Rainer Hennies

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen