Press-Schlag: „Fußball ist sportlich“
■ Die USA wollen bald auch die Fußball-WM der Frauen ausrichten
„Die Frauen sind bei uns Thema Nummer eins.“ Hank Steinbrecher, Generalsekretär des US-Fußballverbandes, legt Vehemenz in diese Aussage. Und fügt hinzu: „Wir bewerben uns mit aller Macht um die nächste Frauen-Weltmeisterschaft 1999.“ Nach der WM 1994 und der Chance, bei Olympia 1996 in Atlanta bei den Männern und erstmals auch bei den Frauen die Schokoladenseiten des US-Fußballs zu präsentieren, möchte Steinbrecher binnen kürzester Frist den Zuschlag für das nächste zu vergebende Top-Ereignis des Weltfußballs. „Soccer soll eine dominierende Sportart in den USA werden.“
Die Frauen, Weltmeister seit 1991, sind der nächste Trumpf in der Steinbrecher-Strategie, dem Fußball in den USA zum Durchbruch zu verhelfen. Sogar eine weibliche Profiliga soll es im nächsten Jahr geben. Finanziert vom Sportartikel-Giganten Nike, sollen zwölf Teams spielen. Frauenfußball ist in den USA weibliche Mannschaftssportart Nummer eins. In den Colleges existieren 445 Teams. Joseph Blatter, Generalsekretär des Weltverbandes FIFA, nennt eine internationale Dimension: „Von gut 20 Millionen fußballspielenden Mädchen und Frauen sind etwa sechs Millionen in den USA aktiv. Fußball ist dort mittlerweile Realität des Lebens.“
Es gebe keine kulturellen und traditionellen Vorbehalte, erklärt Nationaltorhüterin Mary Harvey, einst Keeperin beim Bundesligisten FSV Frankfurt, dieses Phänomen. „Fußball ist interessant, denn Fußball ist sportlich. Und sportlich ist attraktiv.“ Hank Steinbrecher kann das nur bestätigen: „Nach der WM im letzten Jahr erlebten wir einen 25prozentigen Mitgliederzuwachs. Olympia wird einen weiteren Boom auslösen. Weil die Entwicklung des Frauenfußballs eine besondere Rolle spielt, bitten wir mit aller Deutlichkeit um die 99er WM.“
Das Nationalteam der Frauen fährt als haushoher Favorit zur zweiten WM vom 5. bis 18. Juni nach Schweden. Um die überlegene Position in der Weltspitze zu halten, ist der 26köpfige Kader von Trainer Tony Di Cicco seit Mitte Februar im Trainingslager. Das Pendant zu Mission Viejo, dem WM-Vorbereitungscamp der Männer, liegt nördlich von Orlando, Florida. Später soll das Seminole Sport Center den US- Soccerteams als Trainingsbasis für Olympia dienen.
Zwei Millionen Dollar investiert der Verband in das Unternehmen „Frauen-WM 95“. Sogar Umzugsprämien nach Florida gab es. Asse wie Michelle Akers, Kristine Lilly und Julie Foudy sind von ihren schwedischen Clubs zurückgekehrt. Vor wenigen Tagen hat der komplette Kader Profiverträge mit dem Verband unterzeichnet, gültig bis Atlanta 1996. Die elf besten Spielerinnen, festgelegt von Di Cicco, bekommen Wohnkosten und sämtliche Lebenshaltungskosten ersetzt, dazu ein Gehalt von monatlich 2.000 Dollar aufwärts. Gruppe zwei erhält Gehalt plus Unterkunft, Gruppe drei bekommt laufende Kosten und Unterkunft bezahlt. „Wir haben viele Studentinnen, die als Vollprofis ihre Spielerlizenzen an der Uni verlören“, erklärt Hank Steinbrecher die nicht nur leistungsbezogenen Kategorien.
Top-Verdienerin ist Torjägerin Michelle Akers, oft als beste Fußballerin der Welt bezeichnet. Ihre Werbeverträge sind hochdotiert. Durch Einzelverträge mit Sportartiklern sind die meisten Nationalspielerinnen ohnehin durch Nebeneinkünfte zwischen 15.000 und 100.000 Dollar jährlich abgesichert. Seit kurzem flimmert das Quintett Trisha Venturini, Tiffany Milbrett, Mia Hamm, Briana Scurry und Sarah Rafanelli in Spots der Firma Nike über die Mattscheiben. Denn die Marke aus Beaverton setzt voll auf die Frauen, wie Soccer-Direktor Alexander Bodecker sagt: „Wir wollen weibliche Idole aufbauen. Deshalb haben wir für das Nationalteam weibliche Kleidung und Schuhe entwickelt.“ Daß die Soccer-Frauen seit langem Weltspitze sind, paßt den Werbemanagern ebensogut ins Konzept wie dem Fußballverband in Chicago. Rainer Hennies
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